INTERVIEW
: Für Importsteigerungen fehlen Devisen

■ Yordan Mirazchiyski, bulgarischer Energiekomitee-Vizepräsident, zu AKW-Plänen

taz: Bulgarien hat viele Wasserkraftwerke. Wieso wird in Ihrem Land trotzdem relativ wenig Strom aus Wasserkraft erzeugt?

Yordan Mirazchiyski: Unsere Wasserkraftwerke haben eine Leistungsmöglichkeit von etwa 2.000 Megawatt (MW) (von 11.500 MW Gesamtleistung, d. Red.). Leider war es in den vergangenen Jahren in unserer Region zu trocken. Die in den Wasserkraftwerken erzeugte Strommenge deckte daher nur maximal vier Prozent des Verbrauchs ab. In normalen Jahren liegt der Anteil der Wasserkraft bei über zehn Prozent.

Im Oktober hat es Schwierigkeiten bei der Stromversorgung gegeben. Auch die Kohlekraftwerke liefen nicht volle Kraft. Warum?

Am 29. Oktober wurde die Lieferung von Strom aus der Sowjetunion gestoppt. Zunächst sagte man uns, eine Störung der Stromleitung sei verantwortlich. Danach haben wir aber festgestellt, daß es im sowjetischen System an Strom mangelte.

Dieser Import deckt normalerweise zehn Prozent des Strombedarfs in Bulgarien.

Unsere Wärmekraftwerke konnten nicht die maximale Leistung bringen, weil es uns an Ressourcen zum Befeuern fehlte. Der Hauptgrund ist, daß unsere Bergwerke nicht genug Kohle gefördert haben. Es mangelte an neuer Technik und an Ersatzteilen. Die Organisationsprobleme spielen eine Rolle, aber auch der Bergarbeiterstreik im August.

Die bulgarischen Städte verfügen über eine Reihe von Heizkraftwerken. Auch dort wird zuviel Energie verbraucht, woran liegt das?

Die zentralen Fernheizungen sind leider nur in Sofia, Plovdiv und einigen größeren Provinzstädten entwickelt. Die Kraftwerke arbeiten mit Gas oder Heizöl. Ein Ausbauprogramm wurde aber für 1991 aus Geldmangel gestoppt.

Bulgarien leidet an Strommangel. In Bulgarien ist aber der Stromverbrauch schon seit August 1990 deutlich zurückgegangen und im April 1991 noch einmal weiter geschrumpft. Wozu brauchen Sie denn überhaupt noch das AKW Kosloduj?

Wir brauchen es auf jeden Fall. Bei den konventionellen Kraftwerken fehlen uns 1.000 MW Leistung, weil sie stark reparaturdürftig sind. Etliche größere Kohlekraftwerke brauchen zudem eine Überholung, die ihre Effizienz erhöht und die Zahl der Störungen reduziert. Darüber hinaus haben wir unsere Kernenergieressourcen in diesem Jahr noch nicht gut genutzt. Kosloduj hat viel stillgestanden und in diesem Jahr 1,5 Milliarden Kilowattstunden weniger Strom produziert, so daß unsere Kohlereserven stärker angegriffen sind als sonst. Wenn wir statt dessen den Import steigern, brauchen wir dafür Devisen, die wir nicht haben.

Westliche Firmen sollen Atom-Brennelemente für Bulgarien angeboten haben. Haben diese Firmen auch eine Lösung für den Atommüll, die abgebrannten Brennelemente, präsentiert?

Unser traditioneller Partner war bisher die Sowjetunion. Unabhängig davon führen unsere Experten Verhandlungen über eventuelle Lieferungen von anderen Firmen und Staaten. Wenn wir davon wirtschaftlichen Nutzen haben, können wir in Zukunft auch aus anderen Ländern importieren.

Bislang ist aber nirgendwo eine Lösung für den anfallenden Atommüll bekannt.

Ja. Interview: Hermann-Josef Tenhagen