Rote Karte für den grünen Punkt

■ Der grüne Punkt auf den Verpackungen täuscht Umweltverträglichkeit vor/ Grüne Liga Berlin: Nur das schlechte Gewissen wird entsorgt/ Verbraucher zahlen Milliarden für das duale System

Prenzlauer Berg. Langsam wird's bunt auf Deutschlands Verpackungen: Neben die zahllosen echten und imitierten blauen Umweltabzeichen tritt nun auch noch der »grüne Punkt«. Hauptunterschied zum Umweltengel und seinen Plagiaten ist, daß nicht einmal das Original etwas mit Umweltschutz zu tun hat. Bei Aufklärungsaktionen und Info- Abenden will die Grüne Liga im Prenzlauer Berg »die Mogelpackung entlarven«.

Hauptkritikpunkt: Das Emblem aus zwei grünen Pfeilen täusche den Käufern vor, daß die Verpackung umweltfreundlich hergestellt sei. Die Umweltverträglichkeit wird jedoch gar nicht kontrolliert, denn das Zeichen besagt nur, daß eine Abgabe gezahlt wurde.

Mit dieser Abgabe wird das Duale System Deutschland (DSD) finanziert, in dem sich rund 100 Unternehmen zusammengeschlossen haben. Diese Gesellschaft stellt den Verbrauchern Tonnen zur Verfügung, die sie regelmäßig leeren muß. So kommt das duale System zu seinem Namen. Neben den Kommunen, denen die Entsorgungspflicht obliegt, betätigt sich nun die Industrie als zweite Müllabfuhr. Damit entgeht sie der Verpackungsrücknahmepflicht, die Umweltminister Klaus Töpfer dem Einzelhandel ab dem 1.1.93 auferlegt hat.

Umweltverbände befürchten, daß Verbraucher auf die Werbung hereinfallen und den Punkt als Auszeichnung fehldeuten könnten. Damit werde die Einwegverpackung zu Unrecht aufgewertet, kritisiert Kerstin Höft von der Grünen Liga. Entsorgt werde auf diese Weise nur das schlechte Gewissen.

Die Kritik, daß Pfandflaschen (ohne grünen Punkt) zurückgedrängt würden, geht jedoch ins Leere. Die umstrittene Verpackungsverordnung schreibt vor, daß ihr Anteil weder den bundesweiten Schnitt von 72 Prozent, noch den örtlichen Anteil von 1991 unterschreiten darf.

»Damit ist das Mehrwegsystem gesicherter als vorher«, erklärt Hellmut Königshaus von der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Der Leiter des Abfallreferats hofft, daß über dieses Gesetz der Pflichtanteil noch gesteigert werden könne. Da sich die andernfalls drohende Rücknahmepflicht auf den Handel bezieht, kann so indirekt auf die in- und ausländische Industrie Einfluß genommen werden, was unmittelbar jedoch nicht möglich ist.

Mißlungen ist jedoch der indirekte Zwang zur Verwendung verwertbarer Stoffe. Zum einen sind die Pflichtquoten zunächst extrem niedrig. Nur rund neun Prozent des verwendeten Kunststoffs und gerade sieben Prozent der Verbundstoffe müssen ab Januar 93 sortiert und zur Wiederverwertung gebracht werden. Zum anderen besteht auch ab Juli 1995, wenn diese Mengen drastisch auf mindestens 64 Prozent erhöht werden, keine Pflicht, die beim Recycling gewonnenen Stoffe tatsächlich zu verwerten.

So bleibt die umweltfeindliche Einwegverpackung billiger für die Produzenten, als die Umorientierung zum ökologisch sinnvollen Mehrwegsystem. Die Kosten für das Duale System Deutschland tragen ohnehin die Verbraucher.

Und diese sind nicht gerade niedrig. Rund sieben Milliarden Mark kostet allein der Aufbau des Systems, weitere zwei Milliarden der jährliche Betrieb. Die Hersteller zahlen zwei bis zwanzig Pfennig pro Verpackung mit grünem Punkt. Diese Kosten werden in einer Mischkalkulation, also im Durchschnitt, nicht pro Einzelprodukt, auf die Käufer umgelegt.

Die Verbraucher zahlen dann für den Transport und die Sortierung von Verpackungen, statt sie zu vermeiden. Daß die getrennte Verwertung immer noch besser als der direkte Weg zur Deponie ist, steht außer Frage. Doch wenn beim Recycling Produkte entstehen, die keiner haben will, wird der grüne Punkt zur Farce: Denn warum sollte Müll lange bearbeitet werden, ehe er auf der Kippe landet? Christian Arns