Gesundheitlich am Boden zerstört

■ Verbraucherzentralen raten zu Teppichböden aus Naturfasern/ Auch Kokos ist nicht unbedenklich

Berlin. Gesunde Ernährung und Bewegung reichen zum Wohlbefinden manchmal nicht aus, wenn Grundlegendes nicht stimmt. Wörtlich: Teppichböden können gesundheitliche Schäden hervorrufen. Verbraucherzentralen warnen, die Industire wehrt sich.

Ins Kreuzfeuer der Kritik sind insbesondere die Teppichböden für wenig Geld geraten. Von preiswert kann oftmals nicht mehr die Rede sein, wenn die Böden nicht nur stinken, sondern auch noch Kopfschmerzen erzeugen. »Meistens ist der Kompaktschaum auf dem Teppichrücken die Ursache«, weiß Peter Dirk, Mitarbeiter der Verbraucherzentrale. Die Zusammensetzung ist praktisch nie ersichtlich, Verkäufer sind überfragt. Doch auch beim eigentlichen Teppichmaterial nennt Dirk die Beschreibung »ausgesprochen banal«.

Zur Wohnberatung kämen immer wieder Kunden, die bei den großen Berliner Billigmärkten eingekauft und nun Probleme mit ihren Böden hätten, berichtet Dirk. Sein Tip: Weg vom Teppichboden aus Chemiefasern. »Nicht nur die Verträglichkeit im Raum sollte beachtet werden«, empfiehlt Dirk, »entscheidend sind auch die Gewinnung der Stoffe und deren Entsorgung«. Wenn ein Kunststoffboden auf der Kippe lande, verrotte dieser kaum oder gar nicht, während sich die Naturfaser selbst abbaue.

Die Teppichindustrie befürchtet nun, den Boden unter den Füßen zu verlieren. Einige Firmen schlossen sich daher zur Gemeinschaft umweltfreundlicher Teppichböden (sinnige Abkürzung: GuT) zusammen; diese wirbt für »schadstoffgeprüfte« Materialien und nennt als Ziel, den »Verbrauchern unter ökologischen Aspekten Vertrauen in die Produkte zu geben«. Doch die Verbraucherzentralen raten auch bei GuT-Produkten zur Vorsicht: Geprüft wird nicht zwangsläufig auch der Kompaktschaum auf der Rückseite. Die Berliner Wohnberatung favorisiert weiter natürliche Stoffe.

Doch auch die Auswahl bei den Naturfasern ist nicht einfach: Neben der Schurwolle, die von lebenden Schafen stammt, wird häufig auch für »100 Prozent reine Wolle« geworben. Dabei kann es sich um Wolle von bereits geschlachteten Tieren handeln, oder um Reißwolf- Wolle aus alten Pullovern, Strümpfen oder Schals. »Diese Wollart ist bei weitem nicht so strapazierfähig«, erklärt Wohnberater Dirk den Unterschied, die Schurwolle regeneriere sich deutlich besser.

Und auch die Pflanzenfasern sind umstritten: Gerade Kokos und Sisal, für viele Inbegriff des umweltbewußten Fußbodens, sind häufig mit Pestiziden und pilzverhindernden Funghiziden behandelt. Denn die Pflanzen werden zum überwiegenden Teil auf asiatischen Plantagen angebaut, wo oft noch unbedenklich mit Stoffen umgegangen wird, die hier bereits verboten sind. »Auf dem Umweg über den Teppich bekommen wir unser Gift dann wieder zurück«, verdeutlicht Dirk den Pestizidkreislauf.

»Doch warum muß es überhaupt immer ein Teppichboden sein?«, fragt Dirk. Insbesondere bei der immer häufiger auftretenden Hausstaub-Allergie rate er dringend von Textilböden ab. »In Berliner Altbauwohnungen kann man häufig die Dielen abziehen lassen, was nicht nur einfach zu reinigen ist, sondern zudem noch gut aussieht.« Die Wohnberatungen empfehlen aber auch verstärkt Linoleum, das fast ausschließlich aus natürlichen Materialien hergestellt wird: Leinöl, Kork, Harz und Jute sind die Hauptbestandteile. Entschieden lehnt die Verbraucherzentrale alle PVC-Böden ab: »Völlig indiskutabel!«

Neben Umweltverträglichkeit und Verwendungszweck müsse auch der individuelle Geldbeutel berücksichtigt werden, sagt Dirk. Darauf könne nur bei einer persönlichen Beratung eingegangen werden, aber »die Leute kommen meistens erst zu uns, wenn sie ihr Problem bereits in der Wohnung liegen haben«. Als Orientierungshilfe gibt es bei der Verbraucherzentrale am Wittenbergplatz ein Sonderheft zum Thema »Fußböden«. »Eins klappt leider selten«, bedauert Dirk, »Umweltfreundlich, ungefährlich und dann auch noch preiswert.« Christian Arns