100 Mark für die JU-Mitgliederkartei?

■ Junge-Union-Vize Dormann soll Mehrheiten mit Geldscheinen organisiert haben / CDU-Generalsekretär Kierey will jetzt den Vorwürfen nachgehen

Berlin. Der CDU-Abgeordnete und stellvertretende Landesvorsitzende der Jungen Union, Daniel Dormann, soll mit unerlaubten Mitteln versucht haben, innerparteiliche Wahlen zu beeinflussen. Zwei Parteimitglieder werfen ihm in eidesstattlichen Erklärungen vor, im Vorfeld einer Jahreshauptversammlung der Jungen Union Wedding in diesem Herbst »mit einem Bündel Geldscheine« in der Kreisgeschäftsstelle erschienen zu sein, um für einige Mitglieder die Beiträge zu zahlen. Den Verfassern der eidesstattlichen Erklärungen seien diese Mitglieder vorher unbekannt gewesen, sagte der Reinickendorfer CDU-Kreisvorsitzende und Abgeordnete Diethard Schütze gestern zur taz.

Die Urheber der Vorwürfe wollten ihre Namen vorerst nicht nennen, würden im Fall gerichtlicher Auseinandersetzungen aber zu ihren Aussagen stehen, sagte Schütze. Sie seien nach eigenen Angaben Augenzeugen des Vorfalls gewesen. CDU-Generalsekretär Karl-Joachim Kierey will den Vorwürfen, die Schütze bereits auf dem CDU-Landesparteitag am Samstag angedeutet hatte und zuvor bereits Parteichef Eberhard Diepgen zur Kenntnis gegeben hatte, jetzt nachgehen. Der Generalsekretär bestätigte gestern die Existenz einer dritten eidesstattlichen Erklärung, die einen weiteren Vorwurf gegen Dormann enthält. Danach soll der Jungunionist einer Mitarbeiterin der CDU-Landesgeschäftsstelle 100 Mark geboten haben, wenn sie ihm die Mitgliederkartei der Jungen Union aushändige. Dieser Vorfall soll sich, so Kierey, bereits vor vier Jahren abgespielt haben. Dormann, der sich auf dem Parteitag nicht zu den Vorwürfen geäußert hatte, war gestern nachmittag nicht für eine Stellungnahme zu erreichen.

Hätte der Jungpolitiker tatsächlich für Parteifreunde die Mitgliedsbeiträge bezahlt, so wäre das ein Verstoß gegen einen Beschluß des Landesvorstandes von 1986. Als Konsequenz aus dem Skandal um den ehemaligen Charlottenburger Baustadtrat Wolfgang Antes hatten die CDU- Oberen damals bekräftigt, daß jedes Mitglied seine Beiträge selbst bezahlen müsse. Die Praxis, Unterstützer in die Partei einzuschleusen und sich auf diese Weise Mehrheiten zu sichern oder zu verschaffen, war damals in der CDU relativ verbreitet und wurde von der Parteiführung nur mit mäßigem Eifer verfolgt. Die schwersten Vorwürfe waren nach zwei taz-Berichten im Sommer 1986 gegen die zwei damaligen CDU-Mitglieder Kordian Wegner und Klaus Peter Zamrowski laut geworden. Gegen sie hatte sich der Verdacht gerichtet, regelrechte »Phantom-Mitglieder« unter falschen Namen und mit falschen Mitgliedsausweisen eingeschleust zu haben. Der damalige CDU-Landesgeschäftsführer Klaus Wienhold hatte zwar eine Untersuchung der Fälle angekündigt, trotz mehrfacher Nachfrage jedoch nie Ergebnisse vorgelegt. hmt