Nicht ohne meinen Schah

■ Gina Barkhordar Nahais Bett- und Betty-Geschichten

Spätestens seit Betty Mahmoodys unschlagbarer Erfolgsstory wissen findige Verleger, aus welchem Stoff unsere orientalischen Träume und Alpträume sind. Auf der Suche nach Betty-Nachfolgegeschichten ist der Lübbe-Verlag erneut fündig geworden, wiederum in den USA. Die Autorin ist eine aus dem Iran nach Amerika emigrierte Jüdin, Gina Barkhordar Nahai, und in ihrem Dokumentarroman geht es um die Lebensgeschichte einer 1982 vom Khomeini-Regime hingerichteten, angeblich 116 Jahre alten Jüdin, die im Buch nur „Pfauentochter“ oder „Pfau“ genannt wird. Sie war eine enge Vertraute des letzten Schahs und wurde schließlich von den Mullahs zum Tode verurteilt, weil sie versucht hatte, Juwelen und Wertpapiere der Schah-Familie ins Ausland zu schmuggeln.

Ohne Frage eine spannender Stoff, aber Gina Barkhordar Nahai hat es nicht einmal geschafft, trotz Ghostwriter-Hilfe einen aufregenden Kolportageroman anzufertigen. Nur einen Mangel Betty Mahmoodys macht sie doppelt und dreifach wett. Bei ihr fehlt der Schah nicht, der reiche, grenzenlos gütige und doch im Innersten unglückliche Herrscher. Mit ihm halten Reichtum, Glanz und Glorie der Tausendundeinen Nacht Einzug, und die traditionellen Orientschwärmer kommen wenigstens in dieser Hinsicht voll auf ihre Kosten. Die Pfauentochter-Story wimmelt von betörenden Haremsdamen, von keuschen und dennoch verführten Jungfrauen, von raffinierten Huren, von schwulen Prinzen, geilen Fürsten und omnipotenten Herrschern. Als Gegenbild zur Schreckensherrschaft Khomeinis verherrlicht die Autorin das weise Regiment des letzten Pahlewi-Schahs und seines Vaters. Die siebziger Jahre, in denen der Schah mit Hilfe der Ölmilliarden Persien innerhalb von einem Jahrfünft zu einem westlichen Industriestaat machen wollte, gelten als „die Jahre der Fülle und des Glücks“. Das Verbot des Schleiers durch Reza Schah im Jahre 1928 wird als größte Wohltat in der Geschichte des neuen Iran gefeiert. Soldaten hätten den Frauen die altmodischen Tschadors mit Gewalt vom Leib gerissen und sie statt dessen mit einem schönen, neuen Kleid aus Frankreich beschenkt. Die Autorin, die angeblich Persien aus eigener Anschauung kennt, hat kein Gespür dafür, daß gerade diese gewaltsame Entschleierung von den iranischen Frauen besonders auf dem Lande als brutale Entwürdigung erlebt wurde und im Grunde das wirksamste Mittel war, um die gläubigen Frauen in die Arme der strenggläubigen Mullahs zurückzutreiben.

Am Beispiel der Jüdin Pfau versucht Gina Barkhordar Nahai ein ganzes Jahrhundert persischer Geschichte Revue passieren zu lassen. Dabei geht sie mit der historischen Wahrheit ausgesprochen sorglos um. Sie behauptet, deutsche Truppen seien im Ersten wie im Zweiten Weltkrieg bis Persien vorgedrungen, am Ende des Zweiten Weltkrieges sei der Iran über ein Jahr lang von der kommunistischen Tudeh-Partei regiert worden, und für den Sturz des letzten Schahs sei vor allem Jimmy Carter verantwortlich gewesen, weil er zuviel Gewicht auf die Menschenrechte gelegt habe. Am peinlichsten sind jedoch die Geschichtsklitterungen, wenn es um das Schicksal der Juden im Orient geht. Da wird behauptet, die Juden in den iranischen Ghettos seien bereits im 19. Jahrhundert gezwungen worden, ein gelbes Tuch oder einen gelben Stern zu tragen und hätten schon damals die Auswanderung nach Israel erstrebt. Von Ghettos ist die Rede, von antisemitischen Ausschreitungen, sogar von Pogromen. Das kann so nicht stimmen, weder historisch noch geographisch. Manche Ausführungen über die Judenviertel von Isfahan und Täbris lesen sich, als wären sie von Isaac B. Singer abgeschrieben, zumal darin auch immer wieder von strengen Wintern berichtet wird, die zwar nach Polen und Rußland, aber schwerlich zu Persien passen. Gina Barkhordar Nahai überträgt die Erscheinungsformen des europäischen Antisemitismus ungeprüft auf die islamische Gesellschaft des alten Orients. Sie polemisiert im Namen des jüdischen Glaubens und des Alten Testaments gegen Gebräuche des Islam und übersieht dabei vollkommen, daß der Koran viele, wenn nicht die meisten alttestamentarischen Überlieferungen fortschreibt. Der Islam anerkennt das Juden- und das Christentum als gleichberechtigte Religionen des Buches. Nicht zuletzt darum haben die Juden in Persien und in vielen anderen islamischen Ländern ähnlich wie die Christen mehr als tausend Jahre friedlich mit den Muslimen zusammengelebt — mit Ausnahme der Zeit der Kreuzzüge und der Gegenwart. Diese Unkenntnis der orientalischen Verhältnisse spiegelt sich sogar noch in der chaotischen Schreibweise der Orts- und Personennamen wieder, bei der Arabisch, Persisch und Hebräisch ständig miteinander vermischt und verwechselt werden.

Hinter dem Unsinn steckt Methode, denn so wird dem Leser vorenthalten, daß dem jüdischen Abraham ein arabisch-persischer Ibrahim entspricht, daß Moses und Moussa identisch sind und daß Juden und Muslime viele gemeinsame Feste feiern.

Auf keiner Seite läßt Gina Barkhordar Nahai Zweifel daran, wer die Guten und wer die Bösen sind. Die Todfeinde der ehrlichen Iraner sind die kommunistischen Tudehis, die Nationalisten unter Mossadegh und vor allem die von Khomeini geführten Mullahs. Obwohl diese politischen Strömungen im Iran durch Welten voneinander getrennt sind, wirft die Autorin sie immer wieder in einen Topf. Das Weltbild der Autorin ist strikt monarchistisch: Alles Gute kommt von oben, aus den Händen der Pahlewi-Dynastie. Das persische Volk ist zur Demokratie nicht fähig, und darum muß es mit fester Hand regiert werden. Notfalls muß ihm der CIA wie 1953 beim Sturz Mossadeghs zu Hilfe kommen.

In die historischen Berichte werden immer wieder Episoden eingestreut, Haremsklatsch, der eher ins alte Stambul als nach Isfahan gehört, Erzählungen von dummen und bösen Mullahs, Bettgeschichten und Betty- Geschichten. Zwar fehlen in dem dickleibigen Buch die rassistischen Klischees der Betty Mahmoody, die Autorin plädiert sogar ausdrücklich für Toleranz und Völkerverständigung. Unglaubwürdig aber wird ihr Bekenntnis zum Religionsfrieden vor allem dadurch, daß sie die Tragödie der europäischen Juden in Anspruch nimmt und instrumentalisiert, um das aktuelle Feindbild des islamischen Fundamentalismus in den dunkelsten Farben zu malen. Die Hinrichtung einer alten Jüdin — sie wurde nicht wegen ihrer Rasse, sondern wegen ihre Verbundenheit mit dem Schah-Regime hingerichtet — war und bleibt ein Verbrechen, aber ihre Ermordung ist mit dem Holocaust nicht zu vergleichen, Khomeini ist kein Wiedergänger Hitlers. Politischer Verbündeter Hintlerdeutschlands war jener Schah Reza, den Gina Barkhordar Nahai als Juden- und Frauenbefreier in den höchsten Tönen preist.

Die Autorin wirft dem Khomeini- Regime Judenverfolgung vor. Daß in der Islamischen Republik des Iran Zehntausende politischer Gegner, Volksmudschaheddin, Kommunisten, Bahaus, Pazifisten und Demokraten hingerichtet worden sind, ist ihr und Betty Mahmoody keine Erwähnung wert. Peter Schütt

Gina Barkhordar Nahai: Der Ruf der Pfauentochter. Roman. Aus dem Amerikanischen von Angelika Bardeleben. Lübbe-Verlag, Bergisch-Gladbach 1991. 384 S., geb., 39,80 DM