Erst Kamera kaputt, dann Job weg

Göttingen (taz) — Nachdem er am vergangenen Wochenende Polizeiprügel bezogen hatte, ist der Göttinger Pressefotograf Bernhard C. jetzt auch seinen Job los. „In Anbetracht der Ereignisse der vergangenen Tage“, schrieb das in Kassel und Göttingen erscheinende Anzeigenblättchen 'Extra Tip‘ seinem freien Mitarbeiter, „kündigen wir die Zusammenarbeit mit Ihnen mit sofortiger Wirkung.“ Auch das Redaktions- und Verlagsgebäude der Zeitung darf C. ab jetzt nicht mehr betreten.

Im Auftrag der 'Extra Tip‘-Redaktion war C. in der Nacht zum Sonntag bei der Mahnwache für die vor zwei Jahren ums Leben gekommene Studentin Conny Wessmann im Einsatz. Als gegen Mitternacht Polizisten gegen die Demonstration vorgingen, drückte der Fotograf auf den Auslöser. Anschließend wurde er selbst Opfer der Gewalt. „Auf dem Boden ist das Sondereinsatzkommando auf mich losgegangen und hat zuerst auf den Blitz eingeschlagen, und mich dann zu Boden gestreckt“, schilderte C. am darauffolgenden Tag vor Fernseh- und RadioreporterInnen seine Eindrücke. Ihm sei „auf jeden Fall ganz klar“ gewesen, daß mit der Attacke gegen ihn Aufnahmen von prügelnden Beamten verhindert werden sollten. Den 'Extra- Tip‘ erwähnte C. in seiner Stellungnahme in keinem Wort.

C., der sich wegen der erlittenen Verletzungen noch in ärztlicher Behandlung befindet, überlegt, ob er die Polizei wegen Körperverletzung im Amt anzeigen soll. Einem Schritt, dem der Leiter des umstrittenen Einsatzes, Polizeidirektor Otto Knoke, mit Gelassenheit entgegensieht: „Wenn Journalisten sich in der Phalanx der Steinwerfer aufhalten und nur den Polizisten ins Gesicht fotografieren, gehen sie das Risiko ein, Blessuren zu erleiden.“

Die 'Extra-Tip‘-Redaktion war am Donnerstag vormittag auf Anfrage der taz zu keinen näheren Erläuterungen über die fristlose Kündigung bereit. Reimar Paul