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Ja, kann denn da nichts passieren?

■ Und wie. Eine Frau alleine in Europa unterwegs / Alle Vorurteile werden wahr

Der spanische Zöllner an der Grenze zu Portugal fragt mindestens dreimal mit ungläubigem Blick, ob denn wirklich niemand mehr hinten im Bulli ist und schläft. Nein, niemand. „Sola? Sola???“

Frau ist diese Reaktion mittlerweile gewöhnt, nur wenige verbergen ihr Erstaunen. Da fragt der kleine und eher schmächtige Portugiese, den ich locker um anderthalb Köpfe überrage, ob ich mich denn überhaupt meiner Haut wehren kann. Und die Familie im Zug nach Lissabon will mich partout für ein paar Tage zu sich einladen, denn das geht ja nicht, daß ich als Frau so ganz allein und ohne Familie in dieser Stadt umherziehe...

„Sola? Wirklich ganz sola?“

Wir schreiben das Jahr 1991. Ach, lacht da der aufgeklärte Deutsche, diese den patriarchalischen Machtstrukturen verhafteten Südeuropäer, das ist ja klar, daß die so reagieren...

Denkste. Auch die deutschen Touris, denen frau unterwegs begegnet — und die sich natürlich fast durchweg im sicheren Zugriff eines geliebten Mitmenschen oder sonstwie im Päckchen befinden — bewundern erstmal „den schönen Platz, den Ihr Euch da ausgesucht habt“.

Außer mir ist natürlich weit und breit niemand zu sehen, und mit dem Pluralis majestatis ist das heutzutage so eine Sache. Was dann passiert, ist nach dem dritten Mal voraussagbar und genüßlich zu beobachten: Der verblüffte Blick verschwindet in Bruchteilen von Sekunden — eine Überprüfung der Gehirnwindungen hat blitzschnell ergeben, daß man bewußtseinsmäßig alleinreisende Frauen doch gut findet, jawohl, ganz toll findet man die. Genervt läßt frau dann entweder eine Bewunderungstirade über sich ergehen, oder nach dem dritten Wein die vertrauliche Frage, ob denn wohl gerade 'die Beziehung' in die Brüche gegangen sei.

Als Startübung für die erste Reise allein empfiehlt sich Skandinavien. Da gibt es dann die ersten Trockenübungen, um mit den eigenen Landsleuten klarzukommen. Denn permanente Anmache oder sexuelle Belästigung ist dort — allen Vorurteilen gerecht werdend — seltener als in Süd- oder Mitteleuropa.

Ein etwas dickeres Fell braucht frau da schon — da ist der Geschäftsmann beim Frühstück in der spanischen Bar, der unaufhaltsam näher schwankt — da sind all die Männer, die im Fünf-Minuten-Abstand während des Sonnenbades am Strand auftauchen und sich allesamt für unwiderstehlich halten — da ist auch der Kerl, der auf einmal am Zelt auftaucht und einen halben Meter neben Dir anfängt, sich einen runterzuholen.

Das Gerede im Dorf an der portugiesischen Küste über mich ebbt nach einer Weile ab — entgegen aller Erwartung habe ich nicht die halbe männliche Dorfbevölkerung plus sämtlicher Touris ins Bett gezerrt. Sondern habe einfach gelebt und das Alleine- unterwegs-sein genossen — ohne daß frau unentwegt dabei gestört wird.

Susanne Kaiser

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