Jelzin ohne Bremer Bilder

■ Bremen sucht nach verschleppten sowjetischen Kunstwerken

Boris Jelzin ist nach Bonn gekommen — aber die vielerwarteten 364 Zeichnungen und Gemälde aus der Bremer Kunsthalle hat er nun doch nicht mitgebracht aus der Sowjetunion.

Wertvolle Werke der Bremer Kunsthalle von Dürer, Goya, van Gogh, Rubens, Rembrandt und anderen Künstlern waren während des 2. Weltkrieges in Depots in Nordwestdeutschland und der Mark Brandenburg ausgelagert worden. Der sowjetische Offizier Baldin hatte sie in einem Schloß bei Berlin entdeckt, nach Moskau gebracht und in einem Kloster versteckt. Mit Beginn der Demokratisierung in der UDSSR trat Baldin an die Öffentlichkeit und setzte sich für die Rückgabe nach Bremen ein.

Positive Signale gab es vor dem Jelzin-Besuch aus Moskau, daß der Präsident der Russen die Werke zu seinem BRD-Besuch zurückbringen würde — übrigens nur der fünfte Teil der Kunstschätze: „20 Gemälde und über 1.500 Zeichnungen befinden sich noch in der Sowjetunion“, sagt Kunsthallen-Chef Salzmann.

Jetzt aber gewannen andere Überlegungen die Oberhand. Denn umgekehrt ist die unvorstellbare Menge von etwa 290.000 sowjetischen Kunst- und Kulturgütern während des Krieges aus dem Land transportiert worden. Und die fordert der sowjetische Kulturminister Gubenko zurück — und will nicht vorweg die Bremer Werke herausgeben, sondern ein Verhandlungspaket schnüren. „Die Bilder sollen in schlechtem Zustand sein“, erklärte der Sprecher der Bremer Kulturbehörde, Werner Alfke, „wir haben den Russen angeboten, sie zu restaurieren und in der Sowjetunion eine Ausstellung zu machen.“ Eine Antwort aus dem Osten steht noch aus.

Ein deutliches Signal soll unabhängig davon die Einrichtung einer Arbeitsgruppe aus ExpertInnen und WissenschaftlerInnen sein, die auf Initiative des Bremer Senats bei der Suche nach den im Zweiten Weltkrieg aus der Sowjetunion verschwundenen Kulturgütern helfen soll. Die neue Stelle soll selbst forschen und Kontakte zwischen den Russen und den westlichen Ländern koordinieren. Bei einem bisher in der Bundesrepublik einmaliges Seminar am Donnerstag in Bremen, zu dem Senator Scherf international anerkannte Fachleute aus Europa zum Thema „Verbleib der im Zweiten Weltkrieg aus der UdSSR verlagerten Kunstgüter“ eingeladen hatte, übergaben die russischen Experten erste Listen mit vermißten Kunstgegenständen; erst 90.000 der vermißten 290.000 sowjetischen Werke sind seit Kriegsende aufgetaucht.

Die Zahlen sind allerdings umstritten. „Es wird Korrekturen geben“, meinte Wolfgang Eichwede, Leiter der Osteuropa- Stelle. Offenbar sei die Mehrzahl zerstört worden oder unauffindbar. Ein erheblicher Teil sei nach 1945 wiederum aus den drei Westzonen Deutschlands verschwunden und möglicherweise in die USA gelangt; „es scheint sich herauszustellen, daß mehr deutsche Kulturgüter aus der UdSSR zurückgegeben werden als umgekehrt.“

dpa/S.P.