Das Böse lauert überall

■ Drum trage den Helm in jedem Fall/ Der Radkasten (5)

Sicherheitsfahren ist kein Argument allein gegen das Helmtragen beim Radeln. Es gibt ein weiteres, nämlich die Verbeugung vor den eigenen Gefühlen. Mit Sicherheit hat eine transportable Knautschzone auf RadlerIns Schädeldecke nur Vorteile im Falle eines Unfalls.

Im letzten »Radkasten« gab ich die Generalauskunft: Helme mit einem der Prüfzeichen sind gut. Wer sich mal mit den Prüfnormen eingehender befaßt, wird finden, daß diese nur einen kleinen Teil der komplizierten Unfallwirklichkeit labormäßig erfassen. Teure Technologien müßten heran, um der Realität halbwegs gerecht zu werden. Auf deutsch: Die Prüfnormen sind eigentlich viel zu harmlos.

Bei so geringem Trost verwundert es nicht, wenn analog zu den sicherheitstechnischen Phantasien sicherheitsphilosophische Argumente das Pro und Contra der Helmdiskussion bestimmen. Das Böse lauert immer und überall, drum trage den Helm in jedem Fall, so tönt es aus den Pro-Reihen. Die sorglose ER/CD-Fraktion (s. »Radkasten« Nr. 3 vom 26.10.91) fährt leicht dahin und pflückt den Tag, ganz klar, daß sie den Helm nicht mag. Ein Helm bietet für die einen ein Gefühl der Sicherheit, für die anderen ist er ein Angriff auf die eigenen Freiheitsgefühle, die sich mit dem Radeln verbinden.

BrillenträgerInnen müssen oft mehrere Fahrradläden abklappern, bevor sie einen passenden Kopfschutz finden. Nicht-BrillenträgerInnen kommen sich so vor, als bekämen sie nun eine. (An dieser Stelle sei angemerkt, daß Helme stets mit Brille anprobiert werden sollten, denn eine Sonnenbrille tragen die meisten von uns irgendwann einmal.)

Das Helmtragen wird also oft als lästig empfunden. Er ist wieder ein Gegenstand mehr, auf den man aufpassen muß, will man ihn nicht verbummeln oder versehentlich beschädigen. Ihn am Rad hängen zu lassen, wäre teurer Leichtsinn, abgesehen davon, daß kein Helm dafür gebaut ist. Die Fummelei mit gar einem weiteren Schloß erst...! Der ideale Aufbewahrungsort ist halt das Haupt.

Neben dieser Umstandsduselei führt die Contra-Helm-Partei das Argument der subjektiven Sicherheit ins Feld: »Ich fahre auf Sicherheit, ich kann radfahren! Ich fahre umsichtig und vorausschauend, bin stets bremsbereit, bin doppelt vorsichtig an typischen Gefahrenstellen, ich beherrsche mein Rad auch bei kritischen Ausweichmanövern etc. pp....« Diese Aussagen sind löblich, sollten für alle RadlerInnen gelten, aber sie ersetzen nicht den Helm.

Denn die Wahrscheinlichkeit, nun doch durch fremde »Hilfe« oder unglückliche Umstände vom Velo befördert zu werden, ist bedeutend größer, als ein Unfall in einem Atomkraftwerk. Hierzulande weigert sich unser Innerstes, den Helm als ein Zeichen der Unterwerfung vor dem »Verkehrsgegner Automobil« zu tragen. In dem Fahrradland China, so erfuhr ich zu meinem Erstaunen, traut sich mancher mit seinem Rad nicht auf die Straße, die Unfallgefahr sei zu hoch. Ich fahre derzeit ein Original aus der Volksrepublik, kenne dessen Bremsen und verstehe.

Sicherheitsfahren, aktive Sicherheit auf dem Rad also, wird Thema bleiben. In der nächsten Folge gehe ich in praktische Details. Die passive Sicherheit, den Helm, lege ich im »Radkasten« fürs erste ad acta (...und kaufe mir demnächst einen, denn ich habe mich allmählich nun selbst überzeugt). Ulle