Krieg der Warlords in einem zerstörten Land

Der Interimspräsident von Somalia wurde offenbar von einem General aus den eigenen Reihen gestürzt  ■ Von Bettina Gaus

Nairobi (taz) — Die Flucht von Somalias Interimpräsident Ali Mahdi war bereits gemeldet worden, aber so leicht mochte der Politiker sich nicht geschlagen geben: Stunden nach der Verbreitung der Nachricht rief er persönlich beim somalischen Programm des britischen Rundfunksenders BBC an und erklärte, der Putsch gegen ihn sei gescheitert. Nach wie vor habe er die Kontrolle über die Hauptstadt Mogadischu.

Wesentlich mehr als das hat er ohnehin nie gehabt. Seit dem Sturz des langjährigen Diktators Mohammed Siad Barre im Januar ist Somalia Schauplatz eines blutigen Bürgerkrieges zwischen rivalisierenden Clans und Gruppierungen. Nur im Norden herrscht Frieden. Aber der Norden hat sich vom Süden losgesagt und die unabhängige „Republik Somaliland“ ausgerufen, die bislang international nicht anerkannt worden ist.

Die Lage in Mogadischu bleibt unübersichtlich. Nach Augenzeugenberichten soll es Ali Mahdis Gegner General Farah Haydeed gelungen sein, die Oberhand zu gewinnen. Er kontrolliert den Flughafen und die Rundfunkstation. Dem Vernehmen nach sammelt der bisherige Präsident allerdings Truppen im Norden der Hauptstadt, um zum Gegenschlag auszuholen. Die Krankenhäuser Mogadischus sind überfüllt, weite Teile der Stadt sind von der Außenwelt abgeschnitten.

General Haydeed ist seit einigen Monaten Vorsitzender des „Vereinigten Somalischen Kongresses“ (USC), dem es im Januar gelungen war, Siad Barre aus der Hauptstadt zu vertreiben und Ali Mahdi als Staatspräsidenten einzusetzen. Der USC rekrutiert sich überwiegend aus Mitgliedern des Hawiye-Clans, dem sowohl Mahdi wie auch Haydeed angehören. Der General gehört jedoch zu einer anderen Hawiye-Untergruppe als Mahdi und die Bevölkerungsmehrheit in Mogadischu — und dies könnte ihm zum Nachteil gereichen.

Die Organisation der somalischen Gesellschaft in verschiedene Clans erschwert den Aufbau eines modernen, zentralen Verwaltungsstaates. Das gilt um so mehr, als die Somalis wenig Grund haben, sich von einer den Clans übergeordneten Nationalregierung eine Verbesserung ihrer Lage zu erhoffen. Der gestürzte Siad Barre hat ein wirtschaftlich ruiniertes Land hinterlassen, und die Industrienationen scheinen Somalia weitgehend von der Weltkarte gestrichen zu haben. Zehn Monate nach Siad Barres Sturz ist das Telefonnetz des Landes noch immer außer Betrieb — ohne daß dies in den Hauptstädten der Welt offenbar als schmerzlicher Mangel registriert worden wäre.

So ist es kaum erstaunlich, daß Ali Mahdi in den zehn Monaten seiner Amtszeit bislang keines seiner Ziele hat verwirklichen können. Von der nationalen Versöhnung ist Somalia heute so weit entfernt wie je. Die wirtschaftliche Not der Bevölkerung wächst: Der Zusammenbruch von Wirtschaft und Handel hat dazu geführt, daß kaum jemand noch bezahlte Arbeit hat. Selbst wenn es Lebensmittel gibt, haben die meisten Familien kein Geld, um sie zu kaufen. Unzufriedenheit mit Ali Mahdis Regierung machte sich deshalb bereits vor Monaten breit: „Der Präsident ist genauso schlimm wie Siad Barre“, flüsterte mir im Juli am Flughafen von Mogadischu eine Frau zu, die ich zwei Monate zuvor als glühende Anhängerin des neuen Präsidenten kennengelernt hatte, „es geht ihm nur darum, sich zu bereichern. Millionen hat er schon außer Landes geschafft.“

Die Enttäuschung darüber, daß sich das Los der Bevölkerung nach der Flucht des Diktators im Januar eher noch verschlechtert hat, mag jetzt General Farah Haydeed in die Hände spielen. Aber es ist fraglich, ob ihm mehr Erfolg beschieden sein kann, als seinem Rivalen: Zwar hat er besonders gute Beziehungen zur SNM (Somalische Nationale Bewegung), die jetzt die Regierung in der nördlichen Republik Somaliland stellt und mit der er im Kampf gegen Siad Barre verbündet war. Aber die Politiker der SNM, die keinen Hehl daraus machen, daß sie den General gerne an der Spitze einer Regierung in Mogadischu sähen, erhoffen sich von Farah Haydeed vor allem eines: Die Anerkennung der Sezession. Die aber läßt sich in der Hauptstadt, wo die Bevölkerung nach wie vor auf die nationale Einheit hofft, kaum vertreten.

Im Süden Somalias hat General Haydeed wenig Freunde. Dort leben vor allem Angehörige des Darod- Clans, zu dem auch Siad Barre gehört — und der General hat sich aufgrund seiner Taten im Bürgerkrieg den Beinamen „Darod-Killer“ verdient. Keine günstige Voraussetzung für einen gemeinsamen Neuanfang.