Sony-Werk in Jena noch sehr unsicher

Keine Bestätigung in Tokio/ Auch Budapest oder Wien möglich/ Möllemann beendete Japan-Besuch  ■ Aus Tokio Georg Blume

Über das Video- und Fernseherwerk, das Sony angeblich in Jena errichten will, ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. Der Thüringer Wirtschaftsminister Jürgen Bohn, der mit seinem Bonner Amtskollegen Jürgen Möllemann zu Wirtschaftsgesprächen nach Japan gereist war, mußte am Freitag in Tokio ergänzen, daß für den neuen Sony- Standort auch Budapest und Wien in Frage kämen. Auch die Sony-Firmenleitung in Tokio wollte das Jena- Vorhaben nicht bestätigen. Hierbei handelt es sich vermutlich um einen Alleingang des Sony-Vorstandsvorsitzenden Akio Morita, der kürzlich Deutschland besuchte, aber nicht mehr über die Geschäftsführung bei Sony bestimmt.

Dennoch verkündete Möllemann, daß die Japaner jetzt endlich nach Ostdeutschland kämen. „Skepsis“, jubilierte der Minister in Tokio, „wird in Freude umschlagen“ — dann nämlich, wenn die Deutschen von den Investitionsvorhaben japanischer Unternehmen in den neuen Ländern erführen. Am Ende des dreitägigen Aufenthalts sagte er: „Wenn es eine Trendwende jetzt nicht gibt, dann wird es sie nie geben.“ Zwar wollte Möllemann keine Aussagen über Einzelprojekte geben, doch sprach er von „Beratungen in den Vorstandsetagen“ japanischer Firmen und deutete damit an, daß Investitionsentscheidungen unmittelbar bevorstehen.

In der Industrie- und Handelspolitik überschatteten seinen Besuch auffällige Dissonanzen mit der japanischen Regierung und der deutschen Unternehmerschaft in Tokio. Zwar schlug Möllemann der japanischen Regierung die Einrichtung eines „deutsch-japanischen Forums“ vor, in dem Unternehmer und Regierungsverantwortliche beider Seiten miteinander „als wettbewerbsfähige Partner in der Weltwirtschaft“ sprechen sollten. Doch spielte das japanischen Industrie- und Außenhandelsministerium (MITI) diesen Vorschlag sofort mit der Erklärung herunter, die Deutschen wollten sich auf diese Art und Weise nur über das Handelsdefizit mit Japan beklagen, das 1990 annähernd sechs Milliarden Dollar umfaßte. Dieser Interpretation widersprach wiederum Möllemann: Anders als die USA werde die Bundesrepublik „die Konfrontationsstrategie mit Japan vermeiden.“ Auf gravierende Meinungsverschiedenheiten traf Möllemann auch im Gespräch mit Mitgliedern der deutschen Industrie- und Handelskammer in Tokio. Eine Mehrheit der deutschen Unternehmer in Tokio befürwortet inzwischen industriepolitische Eingriffe zum Chancenausgleich gegenüber der japanischen Konkurrenz. In diesem Sinne hatte auch Ulrich Cartellieri, Vorstandsmitglied der Deutschen Bank, erst kürzlich in Tokio vor dem „verhängnisvollen Trend“ gewarnt, demzufolge „die deutsche Exportfähigkeit schwächer werde“. In seiner Replik widersetzte sich Möllemann zwar allen interventionistischen Forderungen, hatte aber „gegen die Warnrufe des Herrn Cartellieri“ nichts einzuwenden.