Therapie für Frauen

■ Seit 15 Jahren bietet BeTS-Psiff Therapie von Frauen für Frauen/ 400 Beratungen jährlich, aber keine »-ismen«

Charlottenburg. Immer mehr Frauen greifen zu Schlaf- und Beruhigungsmitteln. Und immer häufiger werden Frauen Pillen und Tabletten verschrieben — zur Bekämpfung von unterschiedlichsten Problemen, die oft psychische Ursachen haben. Nach einer Studie bekommen 46 Prozent mehr Frauen als Männer zwischen 12 und 30 Jahren Schlaf- und Beruhigungsmittel auf Rezept. 80 Prozent mehr Frauen als Männern werden Herz- und Kreislaufmittel verabreicht.

Für die Psychologin Gisela Scherer ist das nicht nur ein Zeichen für die Überbewertung medikamentöser Behandlungen. »Auch die Psychologie weiß vom Leben der Frauen sehr wenig. Das normale und gesunde Menschenbild ist immer noch das männliche, und danach werden auch Frauen behandelt.«

Gisela Scherer ist eine von sechs Therapeutinnen von BeTS-Psiff (Beratung-Therapie-Selbsthilfe — psychosoziale Initiative für Frauen), die soeben ihr 15jähriges Bestehen feierte. Als »Kind der Frauenbewegung« begann die Arbeit von BeTS- Psiff mit Gruppenarbeit. Selbsterfahrung zu Themen wie Sexualität, Hausarbeit und Beziehungsarbeit war damals ebenso an der Tagesordnung wie Theoriegruppen zur Kritik der klassischen Psychoanalyse. »Wir haben durch Abgrenzung gelernt«, erzählt Gisela Scherer.

Inzwischen bieten die Frauen von BeTS-Psiff neben individueller Beratung auch Selbsthilfegruppen und Therapie an. Die Beratungsstelle in der Horster Straße ist dreimal wöchentlich geöffnet und in der Regel gut besucht. Die Probleme der Frauen, die sich dorthin wenden, gleichen sich oft: Angst, Isolation, Beziehungslosigkeit, Gewalterfahrungen, Eßstörungen, innere Heimatlosigkeit. Immer häufiger geht es auch um sexuellen Mißbrauch. Einige Frauen schließen sich nach dem Gespräch einer der vier angeleiteten Gruppen an; andere entscheiden sich für eine Einzeltherapie. Bei speziellen Problemen wie Alkohol- oder Drogensucht verweist BeTS-Psiff auf spezialisierte Einrichtungen.

»Es kommen sehr viele sogenannte Ausbrecherinnen«, erzählt die Psychologin Daniela Krausser. »Die meisten haben sich schon Gedanken über ihre Rolle als Frau gemacht, zumindest instinktiv, und wollen deshalb eine weibliche Therapeutin.« Dennoch versteht sich BeTS-Psiff nicht als feministisches Projekt. Alleinstehende kommen ebenso vorbei wie Lesben und Ehefrauen. »Wir wollen keine -ismen vorsetzen«, sagt Krausser. »Wenn eine Frau mit ihrer Kleinfamilie zufrieden ist, halten wir sie nicht davon ab. Aber auch in dem Rahmen kann sie sich soweit wie möglich selbst verwirklichen.«

Etwa 400 Beratungen führt BeTS- Psiff im Jahr kostenlos und ehrenamtlich durch. Ein Teil der Arbeit des Vereins wird über ABM-Stellen getragen; Zuschüsse kommen vom Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband. Die psychologische Beratung findet montags, dienstags und donnerstags von 17.30 Uhr bis 19 Uhr statt. Der Treffpunkt im Beratungsladen im Horstweg 27 ist wochentags außer mittwochs von 16 bis 22 Uhr geöffnet. Telefon: 873351. Jeannette Goddar