piwik no script img

Grünes Licht für die Bremer Ampel

Nach siebenwöchigem Verhandlungsmarathon einigten sich Sozialdemokraten, FDP und Grüne auf ein Regierungsprogramm/ Formelkompromisse bestimmen das Bild/ Finanzierungsfragen sind noch ungeklärt  ■ Von Holger Bruns-Kösters

Bremen (taz) — Es waren nicht gerade fröhliche Gesichter, die die Beteiligten am Freitag abend in der bremischen Bürgerschaft zeigten. Dabei hatten die Verhandlungskommissionen von SPD, Grünen und FDP gerade nach ganztägiger Sitzung einen Durchbruch geschafft und die Bremer Ampel auf Grün gestellt. Doch das siebenwöchige Gefeilsche um Formelkompromisse und Halbsätze hatte viel Kraft gekostet. „Wir sind zusammengezwungen worden“, meinte die grüne Vorstandssprecherin Marieluise Beck.

In der Tat: Mehrmals standen die Verhandlungen vor dem Scheitern. Wechselseitig hatten Mitglieder der Grünen und der FDP mit Abbruch gedroht. Letztlich hatte nur die gemeinsame Sorge vor der einzigen Alternative, der großen Koalition, die Ampelunterhändler am Tisch gehalten. Unter dem Druck der Öffentlichkeit, die endlich Ergebnisse sehen wollte, kam dann am Freitag die Einigung über alle wesentlichen Fragen zustande. „Es ist gelungen, ein gewaltiges politisches Spannungsfeld zu überbrücken und akzeptable Kompromisse zu schließen“, urteilte der FDP-Verhandlungsführer Klaus Jäger, während die Grüne Helga Trüpel vorsichtiger formulierte: „Die Vereinbarung muß erst noch mit Leben gefüllt werden.“

Das Spannungsfeld, in dem die Bremer Ampel in den kommenden vier Jahren arbeiten muß, war bei den Verhandlungen besonders beim Punkt Außenweservertiefung deutlich geworden. Der Fluß soll vor Bremerhaven um 2,50 Meter vertieft werden, damit die riesigen Containerschiffe einen neu zu bauenden Hafen unabhängig von Ebbe und Flut erreichen können. Die FDP stand unter dem Druck von Handelskammer und Häfenwirtschaft, für die die ständige Erreichbarkeit der Häfen gleichbedeutend mit der Existenz des Bundeslandes Bremen ist. Den Grünen, die diesem Thema in der Vergangenheit nicht allzuviel Aufmerksamkeit gewidmet hatten, wurden von Umweltverbänden für den Fall eines Kompromisses bereits ökologischer Verrat vorgeworfen.

Gelöst wurde das Problem mit einem Vertagungskompromiß: Der künftige Senat will zwar am „Ziel der Außenweservertiefung“ festhalten, doch über die Ergebnisse der Umweltverträglichkeitsprüfung soll der Senat noch einmal politisch beraten. Halten die Grünen dann noch an ihren Bedenken fest, können sie mit einem Veto die Außenweservertiefung blockieren. Ganz ähnliche Kompromisse wurden auch für die Bereiche Müllverbrennung und Gewerbeansiedlung beschlossen.

Am 7. Dezember werden die Parteien über die Vereinbarungen abstimmen. Große Probleme werden nicht erwartet. Schließlich kann die FDP ihrer Basis die Koalition mit neuen Gymnasien in Bremen schmackhaft machen. Auch die Grünen haben ein Bonbon zu bieten: Die Innenstadt soll weitgehend autofrei werden, Bahnen und Busse eindeutig Vorrang vor dem Auto bekommen. Für diesen Politikbereich wird dann aller Wahrscheinlichkeit nach ein Grüner verantwortlich sein. Der ehemalige Bundesvorstandsprecher der Grünen, Ralf Fücks, will als starker Mann im Bremer Senat für Bau, Verkehr und Stadtentwicklung die Verantwortung übernehmen.

Ein Satz von Fücks, den andere Grüne für den „dümmsten Satz des Jahres“ halten, wird bis dahin von SPD und FDP noch oft genüßlich zitiert werden. Zu Beginn der Verhandlungen hatte Fücks davon gesprochen, daß im Bremer Landeshaushalt „mit dem Skalpell“ gespart werden müsse. Bürgeremister Klaus Wedemeier griff dies bereits am Freitag auf, um die Verhandlungsgruppen auf die nächsten Tage einzustimmen. Denn erst jetzt wird das vereinbarte Ampelprogramm auf seine Finanzierbarkeit überprüft. Dabei werden möglicherweise Abstriche im teuren Bereich der Sozial- und Gesundheitspolitik gemacht werden müssen.

Nach einem ersten Finanzdurchgang am Samstag morgen hieß es aus den Reihen der Grünen bereits: „Jetzt wird erst richtig klar, worauf wir uns da einlassen.“ Denn im Bremer Landeshaushalt klafft für das kommende Jahr bereits eine Deckungslücke von 140 Millionen Mark. Durch die Koalitionsvereinbarung wird das Schuldenloch auf über 300 Millionen vergrößert. Und dieses Geld, so die gemeinsame Absprache, soll irgendwo eingespart werden, ehe die Bremer Ampel zu blinken beginnt. Doch so schwierig die Verhandlungen noch werden mögen, mit einem Scheitern rechnet jetzt niemand mehr. „Wer soweit gekommen ist, der schafft das auch noch“, meinte Bürgermeister Klaus Wedemeier. Auch FDP-Mann Claus Jäger ist optimistisch, daß zuletzt eine Koalition entsteht, „wo nicht der eine der Verhinderer des anderen ist“. Ob die Bremer Ampel schließlich wirklich ein Signal für weitere Bündnisse dieser Art ist, da haben die Grünen nach dem siebenwöchigen Verhandlungsmarathon noch ihre Zweifel. Fraktionssprecherin Helga Trüpel: „Ob das ein Vorbild für die Bundesrepublik werden kann, das muß sich erst noch zeigen.“

Am wenigsten inhaltliche Schwierigkeiten mit der neuen Koalition wird der Wahlverlierer SPD haben. Die Bremer Sozialdemokraten müssen aber noch ein Problem eigener Art lösen. Neun der bisherigen Senatoren möchten dem neuen Senat am liebsten wieder angehören. Platz ist aber nur für sechs. Und gleichzeit hat sich die Partei eine „Erneuerung an Haupt und Gliedern“ verordnet. Bei den bevorstehenden Personalentscheidungen, so weiß es ein Spitzengenosse, „wird es noch Heulen und Zähneklappern geben“.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen