Weshalb greifen Frauen zum Schleier?

■ Khalil Abied erkundigte sich bei moslemischen Frauen, Politikern und religiösen Würdenträgern in Kairo

Assalam Aleikum“ — Friede sei mit Euch, grüße ich die vier jungen Verkäuferinnen im Laden. Drei von ihnen tragen weit ins Gesicht gezogene Kopftücher, bis zum Hals geschlossene, langärmelige Jeanshemden und darunter bodenlange Röcke. Die vierte sieht wie eine Schauspielerin aus einem billigen Film aus: kurzes, enges schwarzes Miniröckchen, die Gesichtszüge sind unter den schreienden Farben des Make-Ups kaum zu erkennen, an den Ohren baumeln schwere goldene Ohrringe und an jedem der rot lackierten Finger prunkt ein dicker goldener Ring. „Aleikum Assalam“ — mit Euch sei Frieden —, antworten sie wie im Chor auf meinen Gruß. Ich frage nach der Besitzerin des Ladens. „Aaah... Sie suchen Madame Mona“, sagt die, die wie eine Schauspielerin aussieht. „Im oberen Stockwerk.“ Es geht eine enge Wendeltreppe hinauf. Da sitzt Madame Mona hinter der Kasse zwischen Kleiderstangen, die vollhängen mit der neuen Winterkollektion.

Madame Mona ist die Besitzerin von „Huda-Moden für islamische Kleidung“ im Kairoer Reichenviertel Mohandessin. Das arabische Wort „Huda“ bedeutet, jemanden auf den rechten Weg weisen. Madame ist Mitte 40 und trägt einen langen beigen Rock, dazu eine dezente violette Bluse mit beige-braunem Muster. Um den Kopf hat sie eine elegante Schärpe in den beige-braunen Tönen der Bluse gewickelt. Die Idee zu diesem Laden kam ihr vor sechs Jahren, als sie beschloß, sich zu verschleiern. Davor trug sie stets die neueste westliche Mode. Eine innere Stimme sagte ihr, daß sie die Art ihrer Kleidung ändern müsse. Woher diese Stimme kam, weiß sie selber nicht. Ihr Ehemann war zunächst gar nicht begeistert, mußte aber schließlich vor der Hartnäckigkeit seiner Frau kapitulieren.

Einmal im Jahr reist Madame Mona nach Paris oder Düsseldorf, um sich mit den neuesten Trends der internationalen Couture vertraut zu machen, und sie danach zu „islamisieren“.

Was ist das besondere an islamischer Kleidung? „Der Rock muß zum Boden gehen und nicht eng anliegen... Aber gleichzeitig sollte die Kleidung elegant sein, denn die Frau bleibt Frau und zieht sich gerne schick an. Ich achte auch darauf, daß die Kopfbedeckung farblich mit der Kleidung abgestimmt ist.“

Madame Mona räumt ein, daß ihre Mode nicht hundertprozentig der Kleidung entspricht, die der Islam der Frau auferlegt. „Es sei ein Schritt in die Richtung“, sagt sie. Denn ihr, wie vielen Frauen, falle es schwer, zum Schleier zu greifen, der den Körper wie „unter einem Zelt versteckt“. Eines Tages wird auch sie hoffentlich die Kraft dazu aufbringen. „Gott möge mir dabei helfen“, sagt sie.

Vor zwei Jahren brachte Madame Mona einen „islamischen Badeanzug“ auf den Markt. „Er besteht aus einer Haube für den Kopf und einer Art Overrall mit langen Ärmeln und Hosen, darüber ein bis zum Knie reichendes Röckchen. Er ist aus einer wasserabstoßenden Faser, so daß er nicht am Körper klebt, wenn die Frau ins Wasser geht. Ich will der Frau nichts vorenthalten, trotzdem glaube ich nicht, daß die wirklich strenggläubige Moslemin so etwas anziehen würde“, sagt Madame Mona.

In den islamischen Ländern greifen immer mehr Frauen und Mädchen zum Kopftuch oder Schleier, zum Hijab, wie die islamische Kleidung auf arabisch genannt wird.

Eine Frage der Bildung?

Das Auto holpert über die tiefen Schlaglöcher in der engen Straßenschlucht. Das ist eine der Armensiedlungen, die in der Nähe der Pyramiden wie Pilze aus dem Boden schießen. Hier unterhält eine Fraugengruppe ein Alphabetisierungszentrum für Frauen. Im Klassenzimmer waren schon 25 Frauen im Alter zwischen 15 und 45. Alle sind nach islamischen Regeln gekleidet. Und alle haben die gleiche Antwort, wenn man sie fragt, warum sie nicht zur Schule gegangen sind. Souad ist Mitte 40 und arbeitet in der Telefonzentrale der Kairoer Universität. „Mein Vater hat sich nur für die Ausbildung der Jungen interessiert. Er ist stolz, daß er heute sagen kann, der ist Arzt, der ist Ingenieur. Aber die Mädchen sind zum Heiraten da. Da ist nicht wichtig, daß sie etwas lernen, und außerdem ist es besser, wenn sie zu Hause bleiben und nicht mit Männern zusammenkommen.“

Die Hausfrau Ibtissam wird fast wütend auf die Frage, ob nicht der Islam fordert, daß die Frauen lieber zu Hause bleiben sollen, statt zur Schule, in die Fabrik oder ins Büro zu gehen. „Wer so etwas denkt, ist dumm, dumm. So etwas ist doch Unterentwicklung. Im Gegenteil. Wie soll die Frau gute Moslemin sein, wenn sie noch nicht einmal den Koran lesen kann. Außerdem steht im Koran an keiner Stelle, daß Bildung nur für Männer ist. Das wichtige ist doch, daß sie an Gott glauben.“

Aus der Unterhaltung erfahre ich, daß alle erst in den letzten Jahren zum Hijab gegriffen haben. Einige wurden von anderen Frauen dazu überredet, wie die 22jährige Huda. Ihre Schwägerin nahm sie öfter mit zu religiösen Vorträgen in die Moschee. Dort wurde auch darüber geredet, daß es eine Schande sei, wenn die Frau mit unbedecktem Kopf aus dem Haus ginge. Maha geht auf die 40 zu und meint, daß sie jetzt ein Alter erreicht hätte, in dem man sich „anständig“ kleiden sollte. Die angenehme Seite, da sind sich alle einig, ist, daß eine Frau mit Hijab nicht mehr von Männer belästigt wird.

Eine Frage des Glaubens?

Ohne vorherige Verabredung hätte ich wahrscheinlich lange warten müssen. Aber der Mann, der an der Tür für Ordnung sorgt, erkennt mich an dem Tonbandgerät, das ich über die Schulter gehängt habe. Vor dem Gebäude drängt sich eine große Menschenmasse. Die meisten sind Frauen. Ihrer Kleidung nach zu urteilen, kommen sie aus den armen Vierteln der Stadt.

Ich drängele mich zur Tür und finde mich schließlich in dem Gebäude wieder. Es ist die Redaktion einer islamischen Zeitung 'Al Nur‘ — das Licht — mit deren Chefredakteur, einem Rechtsanwalt namens Hamzeh Dabis, ich mich verabredet habe. In der Eingangshalle sitzen Dutzende von Frauen und Mädchen, einige modern gekleidet, einige sehen wie Bäuerinnen aus, von anderen sind hinter einem Gesichtsschleier nur noch die Nase und die Augen zu erkennen. Alle scheinen auf etwas zu warten.

Plötzlich geht eine Tür auf und ein Mädchen, Anfang 20, stürmt schreiend in den Raum. „Niemand kann mich zwingen, ein Kopftuch aufzusetzen. Das hat nichts mit Islam zu tun. Ich bin Moslemin und glaube mehr an Gott als viele von diesen Frauen, die nur mit Schleier auf die Straße gehen.“ Hinter ihr läuft ein vollbärtiger Scheich in einer langen weißen Galabia, der versucht, ihr Schreien noch zu übertönen. „Das ist doch unglaublich. Wie kommt überhaupt eine unverschleierte Frau hier rein? Wo ich doch die Leute mit dem heiligen Koran heile.“ Schließlich kehrt er wieder um, ohne das aufsässige Mädchen zu behandeln. Aus dem Dialog habe ich auch endlich verstanden, auf was die Leute vor und im Gebäude warten: Hier werden Kranke mit dem Koran geheilt.

Die Koran-Therapie wird da angewandt, wo die normale Medizin nicht weiter weiß“, erklärt der Scheich, „bei nicht anatomischen Krankheiten. Der Kranke verspürt Schmerzen, weist Krankheitssymptome auf. Aber der Arzt kann nichts feststellen.“ In der Regel sind das psychische Krankheiten, Nervösität, Depression. In den Armenvierteln Kairos hat kaum jemand etwas von Psychologie gehört. Und selbst die, die wissen, was das ist, würden niemals einen Psychologen aufsuchen, weil der ihrer Meinung nach nur für Geistesgestörte da ist. Da glauben sie doch lieber, daß sie von einem bösen Geist befallen sind. Der Scheich bestärkt sie in diesem Glauben. Die meisten der PatientInnen sind Frauen. Denn es sind die Frauen, die mit Armut und sozialer Misere fertig werden müssen und auf denen der meiste gesellschaftliche Druck lastet.

Ihr Mann hat eine zweite Frau geheiratet und sie dann einfach mit den Kindern sitzenlassen, erzählte eine Frau. Neben ihr sitzt eine Studentin. Sie ist jetzt 30 und immer noch unverheiratet. Ihre Familie will sie unter allen Umständen verheiraten. Der Zug der Ehe sei sonst für immer für sie abgefahren, bekommt sie jeden Tag zu hören.

„Mein Mann ist rauschgiftabhängig und gibt das ganze Geld für Drogen aus, und ich weiß nicht, woher ich etwas zu essen für meine vier Kinder kriegen soll“, sagt eine dritte Frau.

Der Scheich liest seinen Patientinnen ein paar Verse aus dem Koran vor. „Der böse Geist haßt den Koran wie die Pest. Und wenn die Patientin den Koran zum Bestandteil ihres Lebens macht, wird der Geist irgendwann aus ihrem Körper entschwinden“, erkärte er.

Der Scheich-Doktor verschreibt ihr, mehrmals am Tag aus dem Koran zu lesen. Sie soll in Wasser baden, das zuvor mit Hilfe des Korans gesegnet wurde und ihren Körper mit bestimmten Gräsern einreiben, über die sie auch zuvor Verse aus dem Koran ausgesprochen hat.

Viele Frauen sagen, daß es ihnen tatsächlich nach einiger Zeit der Koranbehandlung besser geht. Sie fühlen sich so, als lebten sie in einer neuen Welt. In einer Welt, in der Gott ständig present ist.

Eine Frage der Scham?

Ich komme zwei Stunden zu spät zu meiner Verabredung mit Dabis. Aber er verzeiht mir, als er den Grund hört. Dabis ist ungefähr 40 Jahre alt und trägt ein weites bis zum Knie reichendes Männergewand mit weiten Hosen. Sein langes graues Bärtchen verleiht ihm das Aussehen eines strenggläubigen Gelehrten. „Der Hijab bedeckt die Scham der Frau“, sagt er mir. „Das ist ihr ganzer Körper mit Ausnahme des Gesichts und der Hände. Die Frau muß ihre Scham mit einem dicken Stoff bedecken und die Kleidung darf nicht eng anliegen und die Formen des Körpers dürfen nicht sichtbar sein.“

„Aber warum ist der Körper der Frau eine Scham“, frage ich ihn. „Weil der Körper der Frau die Quelle für sexuelle Begierde ist, und diese Begierde ist die Ursache des Verderbens. Zum Beispiel, die Frau darf nicht wie der Mann ihre Brust entblößen. Denn anders als die Frau bei dem Anblick einer nackten Männerbrust, verspürt der Mann sexuelle Lustgefühle, sobald er eine nackte Frauenbrust sieht. Aus dem Grund hat Gott befohlen, den Körper der Frau zu verhüllen. Mann und Frau werden so geschützt, Sünden, wie zum Beispiel Ehebruch zu begehen. Einen Befehl Gottes haben wir zu befolgen. Jede Diskussion ist Ketzerei. Jede moslemische Frau, die sich weigert, den Hijab zu tragen, ist eine Sünderin, der Gott am Tag des jüngsten Gerichts verzeihen wird oder auch nicht, so hat uns der Prophet Mohamed — Gott bete für ihn und segne ihn — vorausgesagt.“

Als ich einigen streng gläubigen Moslems erzähle, ich wolle mich mit Scheich Khalil Abdel Karim treffen, verziehen sie ihr Gesicht. „Gott verfluche ihn. Das ist doch kein Scheich. Das ist ein Kommunist. Er schreibt immer Artikel gegen die Einführung der Scharia, der islamischen Gesetzgebung.“

Scheich Abdel Karim selber bezeichnet sich als „islamischer Linker“. Er ist Vorstandsmitglied der „Tagammu“, der sozialistisch orientierten Sammlungspartei. Ich klingele an der Haustür und warte. Dann höre ich eine Frauenstimme, die mich fragt, was ich will. „Ich will den Scheich treffen“, sage ich. Ich muß noch eine Weile warten, bis mir der „rote“ Scheich persönlich öffnet und mich ins Wohnzimmer bittet. Die Frauenstimme höre ich noch zweimal. Einmal fragt sie, was wir trinken möchten. Dann sagt sie, der Kaffee sei fertig, während eine Hand ein Tablett mit Kaffeetassen durch den Türschlitz ins Wohnzimmer reicht, das ihr Mann hier von der anderen Seite der Tür abnimmt.

Eine soziale Frage?

„Was die den Hijab betreffenden Verse im Koran betrifft, so gibt es sehr unterschiedliche Interpretationen“, beginnt Scheich Abdel Karim zu erklären. Hijab bedeutet im semantischen Sinne „trennender Vorhang“. Und die entsprechende Stelle im Koran bezieht sich ursprünglich allein auf die Frauen des Propheten Mohamed. Der Prophet pflegte ein offenes Haus zu haben. Eines Tages sagte Omar, einer seiner Anhänger, zu ihm: „Es kommen sowohl Leute mit guten wie mit schlechten Absichten in dein Haus und manchmal bist du nicht zugegen. Ich rate dir, schütz deine Frauen vor denjenigen, die dir nichts gutes wollen. Daraufhin offenbarte Gott den Vers des Hijab. Der Hijab ist kein Kleidungsstück, sondern er befiehlt den Frauen des Propheten, mit Männern durch einen Vorhang zu sprechen, ohne selbst in Erscheinung zu treten.“

Für den Moslem ist der Koran Gesetz. Das heilige Buch ist nicht etwas wie die Bibel, die von Menschen geschrieben wurde, sondern es ist das Wort Gottes, das über den Erzengel Gabriel dem Propheten Mohamed offenbart wurde. Die zweite Gesetzesquelle des Islam ist die „Sunna“, die Sammlung der Aussprüche des Propheten. Mohameds Handlungen gelten allen Moslemen als unverbindliches moralisches Vorbild.

Im Koran steht über den Hijab: „Sage Prophet deinen Frauen und deinen Töchtern und den Frauen der Gläubigen, daß sie ihr Übergewand über ihr Anteil ziehen sollen, wenn sie ausgehen, so ist es schicklich, damit man sie als ehrbare Frauen erkenne und sie nicht belästige.“

„Außerdem war der Hijab soziales Unterscheidungskriterium“, erklärte der rote Scheich weiter. „Früher trugen nur die Aristokratinnen den Schleier, um nicht von gemeinen Männern belästigt zu werden, während die einfachen Frauen und Sklavinnen unbedeckt auf die Straße gingen. Khalif Omar verbot sogar ausdrücklich den Hijab für Sklavinnen.“

„Auch in Ägypten hat die neuerliche Ausbreitung des Hijab vor allem wirtschaftliche Ursachen. Warum? Jede Frau zieht sich gern schön an. Aber, wer kann sich das heute noch erlauben. Die Politik der wirtschaftlichen Öffnung hat die Wirtschaft zerstört und die Preise in die Höhe schnellen lassen. Selbst ein Staatssekretär verdient doch nur 400 Pfund. Wie kann seine Frau dafür 30 Pfund beim Frisör ausgeben oder sich für 100 Pfund ein neues Kleid kaufen? Da wird der Hijab zu einer Art Notanker in den Wogen der Wirtschaftskrise.“

Eine Frage der Überzeugung?

„O, Hiba ist eine offene und kluge Frau, du solltest sie unbedingt kennenlernen.“ Im ersten Augenblick der Begegnung herrscht Verwirrung. Da steht eine junge Frau, die genauso angezogen ist, wie es die strengen Interpreten des Islam fordern: ein Tief ins Gesicht gezogener weißer Schleier, der bis zur Hüfte reicht, darunter ein graublaues bodenlanges Kleid. Normalerweise würden solche Frauen einem fremden Mann noch nicht einmal die Hand geben. Aber sie hat mir die Hand gegeben, und sie war es, die innerhalb von wenigen Minuten die Mauern zwischen uns niederriß. Vor mir sitzt eine junge, selbstbewußte Frau, mit einer starken Persönlichkeit, die ihren Standpunkt hat und in der Lage ist, ihn sachlich und fundiert zu verteidigen.

Hiba ist 25 Jahre alt. Sie hat an der Fakultät für Wirtschaft und Politik an der Universität von Kairo studiert und arbeitet dort zur Zeit als Assistentin. Sie ist mit einem Psychologen verheiratet. Zwölf Jahre ging Hiba auf die katholische deutsche Schule in Kairo. Ihre Eltern meinten, daß man auf der Nonnenschule neben Sprachen auch den Sinn für Ordnung lernen würde. Ihre Mutter ist eine sehr religiöse Frau. Auch der Vater ist gläubig, aber gleichzeitig ist „er sehr liberal“, sagt Hiba. „Ich durfte das Haus verlassen, wenn ich wollte, und er brachte mir bei, auf meinen eigenen Beinen zu stehen.“

Zwölf Jahre waren genug Zeit für Hiba, die westliche Mentalität kennen und verstehen zu lernen. „Hast du dich nicht hin und hergerissen gefühlt, zwischen ihrer islamischen Erziehung zu Hause und der christlichen säkularen Atmosphäre an der Schule?“ „Nein“, sagt sie. „Aber das größte Problem war, daß man mir den Hijab verboten hat. Gleichzeitig trugen unsere Lehrerinnen ihre Nonnentracht. Das konnte ich nicht verstehen. Wieso verbietet man mir die islamische Kleidung, wo ich doch in einem islamischen Land lebe? Aber das hat bei mir keine innere Krise ausgelöst. Für mich war das Ausdruck der Krise der westlichen Welt. Der Westen fordert Freiheit und Demokratie und gleichzeitig verbietet man mir meine Rechte als Moslemin. Deswegen sage ich immer, der Westen ist nicht in meinem Herzen, aber ständig vor meinen Augen. Ich kann ihn nicht ignorieren oder hassen, ich habe viel von ihm profitiert, er hat mir Bildung gegeben und meinen Horizont erweitert, Dinge, die mir meine Gesellschaft wegen ihrer Rückständigkeit nicht geben konnte. Wir leben zur Zeit in einer kulturellen Krise. Gehören wir zum Orient oder zum Okzident? Der Islam ist durchaus in der Lage, die Herausforderung der Gegenwart anzunehmen. Aber diese Gegenwart muß doch nicht zwingend amerikanisch oder westlich sein. Wir wollen uns entsprechend unserer eigenen Bedingungen, Prinzipien oder Traditionen entwickeln.“

„Was bedeutet der Hijab für dich?“ „Der Hijab ist für mich nichts, was mich von der Welt trennt, er zeigt, daß ich eine Frau bin. Ich bin stolz eine Frau zu sein. Ich will kein Mann sein. Der Hijab bringt Ordnung in die gesellschaftliche Beziehung zwischen Mann und Frau. Er verhindert ,Fitna‘ (Das Wort Fitna bedeutet gleichzeitig sinnliche Verzauberung, Intrige und Bürgerkrieg, d. A.). Ich bin nicht dagegen, daß Frauen und Männer in der Öffentlichkeit zusammenkommen, aber unter der Bedingung, daß das in einer Atmosphäre des Respekts der Frau geschieht. Ich habe in einem Artikel in der 'Time‘ gelesen, daß eine berühmte amerikanische Chirurgin wegen der sexuellen Belästigung durch ihre Kollegen gekündigt hat. Der eine sagte ihr ,Oh, Honey‘, der andere will mir ihr schlafen. Ist so etwas Respekt für die Würde der Frau? Trotzdem scheint mir eine unverschleierte, gebildete Frau, die sich gesellschaftlich engagiert, viel besser als eine verschleierte Frau, die dumm ist.“