Unverschämtheit erreicht neue Qualität-betr.: "Arschlöscher im Brennpunkt" von Detlef Kuhlbrodt, taz vom 15.11.91 (Die Wahrheit)

betr.: „Arschlöcher im Brennpunkt“ von Detlef Kuhlbrodt,

taz vom 15.11.91 (Die Wahrheit)

Es wird langsam ernst in punkto Akten. Ich verstehe, daß immer mehr Schriftsteller ausflippen und die Einsicht in das aktenmäßig registrierte Übel am liebsten zum Übel selbst umdeuten möchten. Sie ahnen ganz genau, was sie so genau nicht mehr wissen wollen. Auch die Unverschämtheit erreicht dann neue Qualität, andere sollen in den Sumpf hineingezogen werden, damit man selbst darin nicht so auffällt. Bert Papenfußens direkte und indirekte Zitate in einem taz-Artikel (15.11., Seite 20) deute ich so. Dort steht: „Bert Papenfuß-Gorek... kenne ,jede Menge Leute', die Kontakt zur Staatssicherheit gehabt hätten... Lutz Rathenow zum Beispiel. Der hätte sich regelmäßig mit ,denen' getroffen um sich hinterher darüber lustig zu machen, wie blöd die doch wären. Es hätte allerdings auch intelligentere Leute unter den Stasi-Leuten gegeben — das wären diejenigen gewesen, die seine, also Rathenows, Bücher gelesen hätten.“

Mein Kontakt zur Staatssicherheit kam (nach einer Hausdurchsuchung mit vorläufiger Festnahme 1976) durch eine Verhaftung 1980 zustande. Bücher hatte ich zu der Zeit noch nicht veröffentlicht, besaß aber immerhin ein Buch, das auch den Anlaß des dreimonatigen Ermittlungsverfahrens darstellte. Die Geschichten, in denen ich mich über Armee und Staatssicherheit lustig zu machen versuchte, versuchte das MfS zu kriminalisieren.

Bis zum Ende der DDR hatte ich dann noch vier Mal mit dem MfS zu tun: durch zwei Zuführungen zur Klärung eines Sachverhaltes, eine vorläufige Festnahme und durch Vorladung zu einer Rechtsbelehrung (März 88, mit Verhaftungsdrohung). Die zahlreicheren einseitigen Kontaktversuche (Drohanrufe, Beschattung, Postzensur) einmal ausgeklammert. Auch die Gespräche mit Spitzen-Spitzeln wie Böhme/Anderson/Schnur wußte ich damals als Kontakt nicht zu würdigen. Was ich sicher weiß: daß ich seit Jahren keinen Kontakt zu Bert Papenfuß habe. Aber er kennt ja „jede Menge Leute“ mit den entsprechenden Beziehungen, um Informationslücken zu schließen. Warum sollten keine dabei sein, die ihr Desinformationshandwerk nach wie vor glänzend beherrschen?

Meinem Anwalt gegenüber muß Papenfuß die Richtigkeit seiner Zitate bestätigen oder dementieren. Daraus ergibt sich dann der Adressat weiterer juristischer Schritte. In drei Punkten sehe ich eine beleidigende und rufschädigende Äußerung als gegeben an:

1.Nie hatte ich regelmäßigen Kontakte zum MfS.

2.Ich habe mich nicht mit Mitarbeitern des MfS getroffen, sondern wurde vorgeladen, zugeführt oder verhaftet. Getroffen assoziiert einen Grad von Freiwilligkeit/Gesprächsbereitschaft, der nicht vorhanden war.

3.Aus der Tatsache, daß ich auf alle Konflikte mit den machtverwaltenden Organen auch satirisch reagierte, folgt nicht, daß ich mir diese Schikanen wünschte, um sie später verspotten zu können. Offenbar sollen so die Gefahren bei Kontakten mit dem MfS, auf die ich zu jeder Zeit hinwies, verharmlost und lächerlich gemacht werden. Lutz Rathenow, Schriftsteller