Vom Ökoinstitut zur VEBA-Tochter

Stephan Kohler leitet die niedersächsische Energieagentur/ Bereits 35 Projekte in Arbeit/ Nur die PreussenElektra liebt die Energieagentur nicht  ■ Aus Hannover Jürgen Voges

„Ob nun das Energieeinsparpotential insgesamt bei achtzig oder neunzig Prozent liegt, irgendwann lohnen sich neue Studien oder Szenarien kaum noch“, sagt Stephan Kohler. „Jetzt muß es um die Umsetzung der eigenen Erkenntnisse gehen.“ Seit einem halben Jahr leitet Kohler die „Niedersächsische Energieagentur“, will von einer kleinen Büroetage im hannoverschen Ihme-Zentrum aus „Projekte für eine effiziente, ökologische und ökonomische Energiezukunft“ anschieben. Damit will er das „umsetzen“, was er in zehnjähriger Tätigkeit für das Freiburger Ökoinstitut in Studien als notwendig und machbar dargestellt hatte. Allerdings ist an Kohlers Energieagentur nicht nur das Land Niedersachsen, sondern auch der VEBA-Konzern zu 50 Prozent beteiligt. „Unbeschadet der unterschiedlichen Auffassungen über die Nutzung der Kernenergie“ war die Agentur vom Land und dem Konzern gegründet worden, dessen 100prozentige Tochter PreussenElektra in Niedersachsen vor allem Atomstrom produziert.

In sechs anderen Bundesländern existieren bereits Energieagenturen, doch Kohler kann stolz berichten, daß gerade Niedersachsen schon jetzt an der Spitze liegt. An 35 Projekten arbeiten er und seine sechs MitarbeiterInnen bereits mit, vor allem natürlich durch „intensive Beratungstätigkeit“. Die Palette reicht dabei von der Energieinsparung im Mietwohnungsbau, die man in Osnabrück gemeinsam mit den dortigen Stadtwerken angehen will, über Energieinsparmaßnahmen in öffentlichen Gebäuden der Stadt Papenburg bis hin zu einer in der Bundesrepublik bisher einmaligen Biogasanlage im ostfrießischen Wittmund. Diese Anlage soll sowohl mit Gülle als auch mit Schlachtabfällen beschickt werden und wird am Ende nicht nur Strom und Wärme produzieren, sondern auch entgasten Dünger für die Landwirtschaft. „Dieser muß nicht wie die ätzende und stinkende Gülle im Winter auf die Felder ausgebracht werden“, sagt Stepahn Kohler. Man könne ihn während der Wachstumsperiode der Pflanzen verwenden, und dadurch würden weniger Nitrate ins Grundwasser gelangen. „Unsere Hauptaufgabe ist es, exemplarisch bestimmte Lösungsmodelle zu entwickeln, die andere dann breit einsetzen“, sagt er. Die konkrete Projektplanung nach den neuen Konzepten würde von externen Ingenieurbüros übernommen.

Bisher arbeiten ganze sieben Leute in der niedersächsischen Energieagentur. Doch dies kratzt nicht an Kohlers Selbstbewußtsein: „Wir wollen mit unseren paar Leuten die künftige Energieversorgungsstruktur in Niedersachsen prägen.“ Vom nächsten Jahr an soll die Agentur über das Beraten und die Projektplanung hinaus auch einzelne Vorhaben selbst umsetzen können. Mittel in Höhe von drei Millionen DM sollten ihr dazu zur Verfügung gestellt werden, teilte der Staatssekretär im niedersächsischen Wirtschaftsministerium, Alfred Tacke, vor kurzem mit. Wenn nun ein Energieversorgungsunternehmen ein sinnvolles Projekt, wie etwa ein Blockheizkraftwerk, nicht verwirklichen wolle, könne die Energieagentur bald selbst als Betreiber auftreten.

Folgt man Stephan Kohler und auch dem Staatssekretär Alfred Tacke, so gestaltet sich bisher die Zusammenarbeit der Energieagentur mit der Energiewirtschaft problemlos. Sowohl mit der Mutter der PreussenElektra, der VEBA, als auch mit den stromliefernden Töchtern der PreussenElektra arbeite man gut zusammen, sagte Tacke kürzlich. Ausgespart blieb da nur die PreussenElektra selbst, deren Chef Hermann Krämer nach eigener Aussage „um jedes Kernkraftwerk kämpfen will“. Schon bei der öffentlichen Vorstellung der Energieagentur hatte Hermann Krämer wortlos und mißmutig neben dem niedersächsischen Ministerpräsidenten Gehard Schröder und dem VEBA- Chef Klaus Piltz gesessen. Inzwischen haben sich der Ministerpräsident und der Konzernchef ein weiteres Mal über seinen Kopf hin verständigt. Vor einigen Wochen vereinbarten Schröder und Piltz „in einer gemeinsamen Arbeitsgruppe Land/VEBA“ die Chancen eines großen Importkohle-Verstromungszentrums in Wilhelmshaven prüfen zu lassen. Wilhelmshaven liegt mitten im Versorgungsgebiet der PreussenElektra, doch deren Chef Krämer wurde bei dem Projekt nicht gefragt. An dem AKW-Freund Krämer vorbei vereinbarten Land und VEBA, „auch nach dem Auslaufen der bestehenden Kernkraftwerke langfristig gesicherte Stromerzeugungskapazitäten in Niedersachsen“ zu halten. Dafür kämen nur Gas- und Kohlekraftwerke auf der Basis modernsten technischen Standards in Betracht.

Besonders zufrieden zeigten sich Schröder und Piltz „über den erfolgreichen Start der Energieagentur“. Deren Chef Stepahn Kohler will natürlich auch bei der Planung von großen Kraftwerkseinheiten wie des Kohleverstromungszentrums Wilhelmshaven mitmischen. „Vor dem Bau eines solchen Kraftwerkes müßte man natürlich durchrechnen, ob es nicht für das Unternehmen genauso profitabel, aber ökologisch sinnvoller ist, die geplante Investitionssumme von zwei bis 2,5 Milliarden in Kraftwärmekopplung und Energieeinsparung zu stecken“, sagt Stephan Kohler, der hofft, an der Arbeitsgruppe zur Kraftwerksplanung beteiligt zu werden. Den schnellen Ausstieg aus der Atomkraft würde Kohler damit aber keineswegs planen, schließlich geht es Land und VEBA bisher nur um die Zukunft nach dem „Auslaufen“ der Atomkraftwerke.