Im Zweifelsfall für Kind und Küche

■ WissenschaftlerInnen untersuchten Lebensläufe von Frauen

Junge Frauen planen ihr Leben heute in etwa so, wie es ihnen die Generation der jetzigen Rentnerinnen vorgelebt hat. Diesen Schluß lassen die Ergebnisse zweier Untersuchungen zu, die die Soziologinnen Claudia Born und Birgit Geissler von der Bremer Uni anstellten. In zwei Projekten untersuchten sie die Lebensläufe von sechzigjährigen Frauen in typischen Frauenberufen und fiktive Lebensplanungen von Twens; am Montag verglichen sie ihre Ergebnisse beim Hochschulpolitischen Arbeitskreis des DGB.

Die Frauen von heute sind nicht etwa so konservativ wie vor dreißig oder vierzig Jahren. Vielmehr tanzten die Alten schon kräftig aus der Reihe; doch weder die Wissenschaft noch jüngere Generationen haben zur Kenntnis genommen, daß sich deren Lebensläufe nicht in die vorgesehenen Schemata pressen lassen.

„Bis in die Mitte der 60er Jahre galt ein sogenanntes 'Zwei-Phasen-Modell' für Lebensläufe von Frauen: Sie sind bis zu ihrer Heirat erwerbstätig und steigen dann aus dem Berufsleben aus“, erläuterte Claudia Born. Motto: Die Frau gehört in die Familie. „In den 60ern wurde das vom 'Drei- Phasen-Modell' abgelöst: Sie arbeiten, bis das erste Kind kommt, widmen sich dann für 15 Jahre der Betreuung und Erziehung und steigen dann wieder in ihren Beruf ein.“ Neues Motto: Die Frau gehört zum Kind. So starr diese Modelle auch sein mögen, damit wurde Sozialpolitik gemacht: Bis heute gibt es beispielsweise kaum Betreuungsangebote für Kinder unter drei Jahren.

Die von Born befragten Frauen, alle 1930 geboren, müßten der Zeit gemäß Vorreiterinnen des „Drei-Phasen-Modells“ sein. Doch: „Fast drei Viertel der befragten Frauen ließen sich nicht in diese Modelle pressen“, erzählt Claudia Born. Nicht wenige arbeiteten trotz Kindern weiter, andere unterbrachen ihre Erwerbsarbeit aus ganz anderen Gründen.

Stattdessen fand sie heraus: Es gibt berufstypische Lebensläufe. Frauenberufe lassen sich nicht über einen Kamm scheren. Frauen mit einer kaufmännischen Lehre arbeiten zum Beispiel lange in ihrem Beruf, wechseln öfter zwischen Familien-und Erwerbsarbeit. Kinderpflegerinnen dagegenverlassen ihren Beruf oft nach der Ausbildung, haben dann aber ein langes Erwerbsleben in anderen Jobs. Born: „Die Erstausbildung prägt oft den ganzen Lebenslauf — und das, wo die Frauen ihren Beruf fast nie selbst ausgesucht haben.“

Diese Möglichkeit haben Frauen heute eher als früher. Doch was ihre Planungen entscheidend beeinflußt, so fand Birgit Geissler heraus, ist ihr persönliches Lebensglück. Was heißt: Eine glückliche Partnerschaft und Kinder und persönliche Unabhängigkeit mit qualifizierter Arbeit. Frauen wollen die traditionelle Rolle der Hausfrau und Mutter ohne eigenen Job ebensowenig wie ein rein berufszentriertes Leben. Die meisten planen beides ein: Familie und Arbeit. Kommt dann ein Kind, planen sie eine kurze Unterbrechung ein und wollen dann zurück in ihren erlernten Beruf — als Teilzeitkraft.

Klar scheint für die Frauen aber auch zu sein: Wenn sie Kinder haben wollen, müssen sie auf Aufstiegsmöglichkeiten verzichten. Denn den gesellschaftlichen Erwartungen, nur so eine gute Mutter zu sein, wollen Frauen nach wie vor entsprechen. Und ebenso klar ist, daß bei der gleichzeitigen Orientierung auf Arbeit und Partner letzterer bei einem Konflikt Vorrang haben wird. Was bedeutet: Wenn die Männer nicht mitspielen, werden die Lebensentwürfe der Frauen über den Haufen geworfen. skai