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They can do that!

■ 13 Gesangspreisträger bringen Glück und einen gelungenen Konzertabend ins Theater des Westens

Hier der Zuckerbäckerbaustil des Westens, dort die Lagerhallen für Katzen und Phantome und dazwischen viel Stepp-Prominenz aus dem westlichen Ausland: Leider gilt in Deutschland immer noch das alte Prinzip: There's no good business like american showbusiness.

Um sich diesem schlechten Ruf konzertant entgegenzustemmen, gibt es seit runden 25 Jahren den »Bundeswettbewerb Gesang Berlin«. Schirmherr Eberhard Diepgen hatte in seinem fachkundigen Grußwort — »Das Musical erlebt zur Zeit in Deutschland eine neue Blüte...« — alle, denen kräftige, wohlklingende Stimmbänder gegeben sind, zum Bundeswettbewerb eingeladen.

Sie kamen in Scharen und stellten sich unter der fachlichen Obhut des TdW-Intendanten Helmut Baumann in zwei Runden einer zwölfköpfigen Fachjury. Wer sich in die Endrunde der letzten vierzig vortanzte und sang, hatte ein perfektes 45-Minuten- Programm vorzuweisen und zumeist ein anstrengendes Jahr intensiver Probenarbeit hinter sich.

Am Montag abend präsentierten sich nun die dreizehn glücklichen Preisträger dem interessierten Berliner Publikum. Die Kessler-Zwillinge, selbst vierbeiniger Exportschlager deutscher Tanz- und Sangeskunst, gaben sich in gewohnter Eintracht die Ehre und goutierten — wie wir alle — den hohen professionellen Standard des Nummernprogramms.

In der Gruppe der »U 21« brillierte vor allem der erst zwanzigjährige Endrundensieger Ole Solomon Junge. Er stellte mit seinen beiden Songs This Masquerade und Hit me with a hot note bereits am Anfang seiner Karriere die große Spannbreite gesanglichen und tänzerischen Könnens unter Beweis. Der Waldorfschüler ist trotz seiner Jugend bereits ein alter Hase, spielt er doch neben seiner Ausbildung an der »Stage School of Music, Dance and Drama« in Hamburg bereits in der Rocky Horror Picture Show mit.

Im A-Wettbewerb der 21 bis 28jährigen wird die Luft schon beträchtlich dünner. Das Spitzenfeld der besten sechs liegt entertainment- technisch sehr eng beieinander. In der Rubrik »Song/Chanson« zeigte Gabriele Stern neben dem geforderten Kunsthandwerk einer klaren Stimme auch ihr wunderbar komisches Talent mit einer witzigen Mini-Audition. Der Thomaner-Zögling Alexander Kerbst wagte sich mit seiner Kantilene eines Kulturschaffenden auf das noch glattere Parkett des konzertanten Vortrags. Das Faktotum der Opernwelt nahm mit seiner amüsanten Nummer die Herzen der Massen im Sturm wie auch Cuco Wallraff, zweiter im Bereich »Musical«, der mit einer Kostprobe aus A Chorus Line das Haus und die Gitarre der »Kai- Rautenberg-Combo« rockig erzittern ließ.

Er war einer der wenigen, die in ihrem Programm darauf verzichteten, das zugrundegelegte Musical-Material für ihre eigenen interpretatorischen Zwecke zu nutzen. Denn insgesamt wurde der Konzertabend im Theater des Westens vor allem dadurch zu einem wahren Ereignis aufgewertet, daß die allesamt nur zu gut bekannten Evergreens der Musicalgeschichte, gekonnt spielerisch verfremdet, hier nurmehr als ironisches Zitat verwandt wurden. So entledigte sich der Gewinner in der Sparte »Song«, Michael Sens, jeder Hochachtung vor dem Liza-Minelli-Knüller Cabaret und zauberte während der Darbietung mit seinem Chapeau claque herum, als sei die ganze Singerei ein Playback-Kinderspiel. Musicalkönig Thorsten Kreissig hatte wie schon im BKA seinen verklemmten Volkshochschullehrer und Pianistin Frau Brückner mitgebracht, rückte hier aber das Verhältnis von angemessen kurzem Vorgeplänkel und gekonnter Showdarbietung wieder gerade. Und so eroberte sich der Ballettdirektor in spe zu Recht die Herzen des Saales.

Gemeinsam mit dem nur knapp unterlegenen Cuco Wallraff steppte und tanzte er zum Abschluß noch die Chorus-Line-Paraderolle I can do that so gekonnt und stereo-perfekto, als wollten die beiden damit zum Ausdruck bringen, daß ihre persönliche Konkurrenz noch lange nicht entschieden ist.

Nach zwei wunderbaren Stunden stiegen alle Preisträger gemeinsam mit Impressario Helmut Baumman zum großen Finale die unvermeidliche (und wohl nicht ironisch gemeinte) Showtreppe herunter, glücklich über den großen Erfolg und froh, daß das Lampenfieber vorbei war: That's Entertainment, Showbusiness vom Feinsten. They all can do that! Herzlichen Glückwunsch! Klaudia Brunst

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