Filme aus 1001 Nacht

■ ZDF gibt drei Kostproben aus dem „Neuen iranischen Kino“

Filme aus Ländern wie dem Iran kommen kaum einmal in hiesige Kinos; das kommerzielle Potential ist zu gering, der Einsatz scheinbar nicht lohnenswert. Da erfüllt das Fernsehen wesentlich seine Funktion als Mittler der Kulturen, wenn es, wie heuer das ZDF, Beispiele des iranischen Filmschaffens vorstellt.

Während der Regentschaft Schah Reza Pahlewis unterlagen die iranischen Filmemacher zwar einer strengen Zensur, doch die Filmwirtschaft blühte, und diese Prosperität ermöglichte in bescheidenem Maße auch systemkritische Ansätze. Farah Dibah soll einst von einem persischen Hollywood geträumt haben — in den Augen der neuen muslimischen Machthaber eine gottlose Idee. Nach 1979, im Zuge der Re-Islamisierung unter Khomeini, kam die Kinoindustrie fast völlig zum Erliegen.

In bitterer Ironie erwies sich auch hier der Krieg als Vater aller Dinge: Im Zuge des Waffengangs mit dem Irak wurde das Kino als wirksames Propaganda-Instrument entdeckt und mit massiver staatlicher Förderung so weit wieder aufgebaut, daß heute mit einer mittleren Jahresproduktion von fünfzig Spielfilmen der Bedarf des eigenen Marktes annähernd abgedeckt werden kann. Der Wunsch nach Leinwand-Epen ist da: Allein in Teheran werden achtzig Lichtspielhäuser betrieben, die im Jahre 1989 etwa zwölf Millionen Zuschauer anzogen.

Der Grund für die damalige Revision der Lehrmeinung zum Thema Kino wirkt bis heute nach. Noch immer dient der Film als Medium staatlicher Propaganda gegen den jeweiligen politischen Gegner, zur Absicherung der eigenen Macht, die vom altbekannten Kontrast zwischen einer wohlhabenden Klasse — den Mullahs — und dem Elend der Besitzlosen, der Waisen und Kriegsversehrten zermürbt wird.

Viele iranische Regisseure bedienen sich der plakativen Mittel des Propaganda- und Illusionskinos. Mohsen Makhmalbaf etwa, Jahrgang 1967, unter dem Schah inhaftiert und heute erneut in Opposition, inszeniert den Idealzustand, um ihn listig mit der Realität der totalitären iranischen Gesellschaft zu vergleichen.

Das ZDF zeigt innerhalb der dreiteiligen Reihe jüngere Arbeiten von Regisseuren, die bereits vor der Revolution über die Grenzen ihres Landes hinaus bekannt waren. Masuds Kimiais Der Biß der Schlange ist das Studium westlicher Genres anzumerken. Der Struktur eines Italo- Western folgend, läßt Kimiai seinen infolge des irakisch-iranischen Krieges zum einsamen Drifter gewordenen Helden gegen Korruption, Ausbeutung und Unterdrückung antreten. Insbesondere den verwaisten und verelendeten Kindern, leichte Opfer skrupelloser Geschäftemacher, gilt die Fürsorge des persischen Djangos. Den Mullah-Zensoren war das Thema zu heikel: Sie untersagten die Aufführung des Films.

Auch Amir Naderi widmet sich mit Der Läufer dem Schicksal eines verwaisten Kindes. Gelegenheitsjobs und Wettläufe bestimmen den Alltag des zwölfjährigen Amiroo, der in einer menschenfeindlichen Umwelt um sein Überleben kämpfen muß. Regisseur Naderi verlegt sich auf leicht verständliche Naturmetaphern, um die Unwirtlichkeit einer ganzen Gesellschaft aufzuzeigen, aber zugleich für eine mögliche Verbesserung der tristen Lebensbedingungen Hoffnung zu geben.

„Wo ist das Haus meines Freundes?“ fragt der kleine Ahmad in Abbas Kiarostamis gleichnamigem Film. Der Zehnjährige hat in der Schule versehentlich das Heft eines Mitschülers eingesteckt und macht sich auf den langen Weg in das Nachbardorf, um es dem Freund zurückzubringen. Mit Ahmad, dessen Wanderung zu einer Bewährungsprobe wird, lernt auch das Publikum die ländlichen Verhältnisse kennen, die von patriarchalischen Machtstrukturen und alltäglichen Repressionen bestimmt sind. Der anrührende Film wurde 1989 in Locarno mit dem „Bronzenen Leoparden“ ausgezeichnet.

Herr Dittmeyer

Termine: Der Biß der Schlange, 27.11., 23.40 Uhr; Filmforum: Abschied von alten Bildern — Das iranische Kino im Umbruch, 28.11., 23.30 Uhr; Der Läufer, 28.11., 0.20 Uhr; Wo ist das Haus meines Freundes?, 29. November, 14.40 Uhr