Krieg gegen Delphine wird eingestellt

Japan stimmt dem Verbot des Schleppnetzfanges zu/ Proteste japanischer Kleinfischer, die um zehntausend Arbeitsplätze fürchten/ UNO-Entscheid voraussichtlich Mitte Dezember  ■ Aus Tokio Georg Blume

Mit hängendem Kopf trat gestern ein geschlagener Fischereiminister in die Runde des japanischen Kabinetts. Masami Tanabu, der Minister aus der Fischerstadt Aomori in Nordjapan, mußte vollziehen, wogegen er sein Leben lang gekämpft hatte: Auf Vorschlag des Fischereiministers stimmte die japanische Regierung am Dienstag nach langwierigen Verhandlungen in den Gremien der Vereinten Nationen einer Regelung zu, die den Schleppnetzfang auf Hochsee ab dem 31.12. 1992 verbietet.

Nach dem Einlenken Japans wird vermutlich auch die Regierung Taiwans ihre Schleppnetzflotten stoppen und einem „Driftnet“-Fangverbot zustimmen, das noch Mitte Dezember in der UNO-Generalversammlung verabschiedet werden soll. Ein zwischen Tokio und Washington ausgehandelter Kompromiß sieht vor, das Fangvolumen der Schleppnetzflotten im Jahr 1992 vor Einsetzen des Verbots auf die Hälfte zu reduzieren.

Unter dem Ansturm internationaler Proteste bricht damit zusammen, was Umweltschützer als „Todesmauern“ der Ozeane apostrophiert hatten — jene Netze nämlich, bis zu 70 Kilometer lang und 15 Meter tief, die bis heute vor allem im Pazifik für den Fang von Tinten- und Thunfischen ausgelegt werden und in denen alles stirbt, was schwimmt: Delphine, kleine Wale, alle Arten von Fischen, Jungtiere und sogar Seevögel. Diese Tiere verfangen sich zwischen den feinen, durchsichtigen Nylonfäden der Schleppnetze — zum Ärger der Fischer, die meist nur auf Fang für Konservenhersteller gehen — und werden deshalb tot oder verletzt ins Meer zurückgeworfen.

Schon vor Jahren hatten Ozeanforscher vor den unabsehbaren Folgen für die Meeresfauna gewarnt, die entstehen, wenn Teile des Pazifiks in „Meereswüsten“ verwandelt werden, weil sich in ihnen kein lebendes Getier mehr befindet. Seit Mitte der siebziger Jahre machte der Schleppnetzfang weltweit Schule. Weit über ein Jahrzehnt hatte die internationale Politik gebraucht, um die nahende Ozeankatastrophe überhaupt zu erkennen. Eine Studie der US-amerikanischen Regierung vom vergangenen Jahr brachte zutage, daß durch zehn Prozent der Schleppnetzboote 1.758 Wale und Delphine, 30.464 Seevögel, 253.288 Thunfische, 81.956 Haie und mehr als drei Millionen andere Fische, die nicht gefangen werden sollten, umkamen. Nach endlosen Debatten in internationalen Seminaren und Konferenzen standen zum Schluß nur noch Japan und Taiwan quer.

Mißmutig referierte dann gestern Minister Tanabu, Nippons ranghöchster Fischer im Regierungskabinett, von dem „enormen Druck aus Übersee“, der Japan nun zwinge, in der Schleppnetzfrage nachzugeben. Kaum hatte er gesprochen, wurden im Land die Proteste laut. Der Fischereiverein zürnte: „Vor zehn Jahren haben wir uns auf Geheiß der Regierung auf den Schleppnetzfang umgestellt. Eine weitere Umrüstung ist heute unmöglich.“ Der Fischereibevollmächtige für Nordjapan schimpfte: „Wir haben uns beim Fang mit den Schleppnetzen immer Mühe gegeben, daß andere Tiere darin nicht umkommen. Jetzt muß die Regierung das Leben der Fischer schützen.“

Tatsächlich sind die traditionell armen Fischer aus Nordjapan die Leidtragenden der Affäre. Denn nicht die großen japanischen Fischereikonzerne unternahmen zuletzt den Schleppnetzfang. Das dreckige Geschäft überließen sie lieber den um ihre Küstengewässer längst betrogenen Kleinfischern. Von ihnen werden mit Wirkung des UNO-Beschlusses mindestens 10.000 den Job verlieren. Die Wirtschaftszeitung 'Nihon Keizai‘ schätzte sogar, daß insgesamt 100.000 Arbeitsplätze in der fischverarbeitenden Industrie gefährdet seien. Auch die Sprecherin von Greenpeace in Japan verzichtete deshalb auf Jubelrufe: „Die Verantwortung der Behörden“, kommentierte Naoko Kakuta, „ist heute um so größer. Denn sie waren immer nur auf den Schutz der Fischer bedacht und haben Alternativen auch für die Betroffenen nie erwogen.“