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Affentheater im Euro-Zirkus

Arbeitstagung des Bundeskriminalamtes zur Verbrechensbekämpfung auf europäischer Ebene/ Vor allem die Deutschen wollen Europäisches Kriminalamt, um Straftaten innerhalb der EG aufzuklären  ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt

Wiesbaden (taz) — „Perfektion der Mittel und Konfusion der Ziele kennzeichnen unsere Zeit.“ Mit diesem Einstein-Zitat faßte BKA-Präsident Hans-Ludwig Zachert den Stand der Debatte um die Einrichtung eines Europäischen Kriminalamtes (EKA) mit europäischen Polizeibeamten (Europol) zusammen.

Angesichts der „offenen Flanke“ der EG im Osten wollen vor allem die Deutschen eine supranationale Polizeibehörde. Sie soll nach den Vorstellungen von Zachert zur Bekämpfung des organisierten Verbrechens in den Deliktbereichen Rauschgift und Gewaltkriminalität tätig werden und Straftaten zum Nachteil der EG — „Stichwort: Wirtschaftskriminalität“ (Zachert) — aufklären. Darüber hinaus müsse Europol als zentrale Koordinations-, Ansprech- und Informationssammelstelle auf den Gebieten der Kriminaltechnik, der Forschung, der Aus- und Fortbildung von Polizeibeamten und des Erkennungsdienstes fungieren. Voraussetzung dafür, so Zachert, sei selbstverständlich die Vernetzung der verschiedenen europäischen Informations- und Datenverarbeitungssysteme in einem Europol-Verbundsystem. „Auf dem Gebiet der automatischen Fingerabdruckidentifizierung existieren derzeit in sechs EG-Staaten drei verschiedene EDV- Systeme, die nicht kompatibel sind“, sagte Zachert. Ein „Affentheater“ nannte denn auch ein Teilnehmer der BKA-Arbeitstagung zur Verbrechensbekämpfung auf der europäischen Ebene diese Zustände innerhalb der Europäischen Gemeinschaft. Und der Präsident griff das Stichwort dankbar auf: „Wie im Affenzirkus“ gehe es im Europa der Zwölfergemeinschaft zu — trotz Schengener Abkommen, mit dem eigentlich die Zugriffsmöglichkeiten von Polizeibeamten in den Mitgliedstaaten geregelt werden sollten. Zachert: „Wenn sich etwa ein Bankräuber aus Aachen in ein westliches Nachbarland absetzt, beträgt die Eindringtiefe für deutsche Polizeibeamte zehn Kilometer. In einem anderen Nachbarland darf er sich nur eine halbe Stunde aufhalten. Und in einem dritten Land darf er sich zwar aufhalten, aber keine Festnahme tätigen.“

Daß es bei der Einrichtung von Europol um den Verzicht auf nationale Hoheitsrechte geht und der Hauptstreitpunkt bei der Aufgabenzuweisung an eine europäische Polizeibehörde die Durchführung der Ermittlungsarbeit ist, wissen die BKAler, die über die Schiene Bundesregierung ihrem „Wunschkind EKA“ seit Jahren zur schnellen Geburt verhelfen wollen. Als „ersten Erfolg“ wertete Zachert die Entscheidung des Europäischen Rates vom Juli dieses Jahres, eine „europäische kriminalpolizeiliche Zentralstelle“ einzurichten. Doch entgegen den Vorstellungen des Bundeskanzlers, der auf eine rasche Umsetzung des Beschlusses gedrängt haben soll, wird diese Behörde erst Ende 1994 die Arbeit aufnehmen können.

Im BKA hatte man bereits auf dem Papier detaillierte Vorstellungen zu den Rahmenbedingungen und Aufgabenstellungen für Europol entwickelt. Keimzelle für die „Eurocops“ sollte die bereits im Aufbau befindliche europäische Rauschgift-Intelligence-Behörde (EDIU) werden. Im Idealfall, so Zachert, könne dann EDIU zu Europol ausgebaut werden — „beaufsichtigt von einem Gremium, das aus den Leitern der nationalen Polizeibehörden bestehen soll“.

Diese von den Deutschen favorisierte Abkoppelung von Europol von der parlamentarischen Kontrolle hat vor allem die Briten elektrisiert. Außenminister Hurd erklärte erst vor Wochenfrist, daß die Vollstreckung des Strafrechts und die polizeiliche Überwachung „in der Zuständigkeit der einzelnen Mitgliedstaaten“ zu verbleiben hätten. Auch der vom BKA als Tagungsredner geladene Rechtsprofessor Albin Eser vom Max-Planck-Institut in Freiburg nannte die Vorstellungen von Zachert „völlig illusorisch“. Die Kriminalisten, so Eser, könnten froh sein, wenn es in einem absehbaren Zeitraum zu einer vernünftigen Zusammenarbeit zwischen den einzelnen nationalen Kriminalämtern komme — „bei all dem Wildwuchs divergierender nationaler Gesetzgebungen und Verordnungen, Rechtsauffassungen und Prozeßordnungen“. Alleine im Umweltstrafrecht, so Eser, gebe es einen Wust unterschiedlichster Bestimmungen: „Und was in dem einen Land strafbar ist, ist in dem anderen noch nicht einmal ein Kavaliersdelikt.“ Auch datenschutzrechtliche Bestimmungen, die Teil der Bürgerrechte geworden seien, müßten beachtet werden.

Da blieb dem BKA-Präsident am Ende des Vormittags nur noch die Hoffnung auf den an die Politiker weiterzugebenden „Leidensdruck der Bevölkerung“. Die Menschen in Europa seien schließlich die Opfer der organisierten Verbrecherbanden. Und diese Menschen hätten europaweit kein Verständnis mehr für das Festhalten der Politiker an nationalen Souveränitätsrechten. Auch der sächsische Landespolizeipräsident Ulrich Meier klagte — „angesichts der offenen Grenzen zu Polen und der CSFR“ — europäische Hilfe bei der Verbrechensbekämpfung ein. Aus eigener Kraft, so Meier, sei die Polizei in den östlichen Bundesländern nicht in der Lage, die Kriminalitätsprobleme an der — ab 1993 — Ostgrenze der Gemeinschaft zu bewältigen. „Seit der Währungsunion lohnt sich bei uns das Verbrechen“, sagte Meier.

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