Prinzipien als Geschütze

■ Ausländerausschuß debattierte über TU-Flüchtlinge/ PDS-Antrag auf Rederecht für Flüchtlinge nicht behandelt

Rathaus Schöneberg. Wenn das Thema nicht so schnell blutiger Ernst werden könnte, hätte ein Supervisor oder eine Psychoanalytikerin helle Freude an dem gestern im Ausländerausschuß dargebotenen rhetorischen Fantasien haben können. Es ging um 85 Menschen. Meinten jedenfalls die Grünen/ Bündnis 90 und die PDS.

Nein, es ging ums Prinzip. Das befanden die anderen Fraktionen: CDU, FDP und SPD. Der Anlaß: Zehn Abgeordnete aus dem Bündnis 90 und der PDS sowie Werner Wiemann von der FDP hatten den Antrag gestellt, daß die vor Anschlägen aus der Ex-DDR in die TU geflohenen 85 Flüchtlinge bis zum Abschluß ihres Asylverfahrens in Berlin bleiben dürfen.

Für den CDU-Abgeordneten Ekkehard Wruck, der aus einem biografischen Geheimnis heraus zum Thema Rechtsradikalismus (»Nazibrut«) eine besondere Affinität zu haben scheint, stellte dieser Antrag »eine Kapitulation des Rechtsstaates vor den Rechtsradikalen« dar. »Sie fordern ein Kuschen vor rechtsradikalen Gewaltaktionen!« rief er in Richtung des Grünen-Abgeordneten Wolfgang Wieland. Seinem Fraktionskollegen Joachim Weitzel schwante gar noch Schlimmeres: »Hier soll ein ganzer Rechtsstaat zusammenbrechen!« Auch Eckhard Barthel von der SPD sprach zwar von einem »Zielkonflikt«, redete aber ebenfalls in apokalyptischen Metaphern: »Wenn den Rechtsradikalen hier ein Erfolg gelingt, wird das ein Flächenbrand.« Es sei ein Fehler gewesen, Asylbewerber ohne jede Vorbereitung in die neuen Länder zu schicken, gab Thomas Seerig von der FDP-Fraktion immerhin zu, um jedoch sogleich mit dem »Riesenfehler« anzuschließen, »in Hoyerswerda die dort noch Lebenden herauszubringen.« Hätte man sie etwa »mit den Füßen zuerst heraustragen sollen?« fragte entsetzt ein journalistischer Beobachter dieser von militärischen Metaphern überquellenden Debatte.

Denn was muß da eigentlich verteidigt werden? Zu Recht wies die PDS-Frau Karin Dörre darauf hin, daß die Flüchtlinge doch nicht dafür herhalten dürfen, »den Rechtsradikalismus zu bekämpfen«. Und mit dem Hinweis des grünen Anwalts Wolfgang Wieland, der Antrag gerate mitnichten mit dem Rechtsstaat in Konflikt, da doch sogar ein Oberverwaltungsgericht Münster den Stopp der Flüchtlingsverteilung in die Ex-DDR aus Sicherheitsgründen angeordnet habe, standen die angeblichen Verteidiger des Rechtsstaats ziemlich nackt da. Um jedoch eine drohende Abstimmungsniederlage zu verhindern, beantragte Wieland selbst eine Vertagung des Antrags auf Duldung der Flüchtlinge.

Dies alles geschah in ihrer Anwesenheit — eine ganze Reihe von Flüchtlingen drängten sich auf den Besucherstühlen. Das Begehren der PDS jedoch, einen von ihnen zu Wort kommen zu lassen, ließ die Ausschußvorsitzende erst gar nicht mehr abstimmen. Selbstherrlich gab sie den Schluß der Debatte bekannt. Wütend schwenkten die Flüchtlinge ein Antirassismus-Transparent. Doch auch in diesem Falle hatten sie wenig Chancen, selbst das Wort zu ergreifen, da deutsche UnterstützerInnen ihnen zuvorkamen. »Für wen machen Sie eigentlich die Gesetze?» schrien sie den davoneilenden Abgeordneten hinterher. Ute Scheub