Atomklo Morsleben bleibt dicht

Magdeburger Gericht befindet über die Stillegung des Atommüllages Morsleben / Endlager ohne Genehmigung/ Seit der Vereinigung gehört es dem Bundesamt für Strahlenschutz  ■ Von Eberhard Löblich

Magdeburg (taz) — Für die bundesdeutsche Atomwirtschaft ging es gestern vor dem Magdeburger Bezirksgericht um eine ganze Menge. Dort stand nämlich das einzige existierende Endlager für radioaktive Abfälle auf dem Prüfstand. Im Februar hatte die Braunschweiger Rechtsanwältin Claudia Fittkow per einstweiliger Verfügung erreicht, daß das Atomklo vorläufig dichtgemacht wurde. Gestern gaben die Richter der Klägerin recht. Weder nach dem Umweltrahmengesetz der früheren DDR noch nach dem Atomgesetz sei eine vertragliche Übertragung der Betriebsgenehmigung zulässig. Auch die Sicherheitsbedenken der Klägerin wurden von den Richtern geteilt.

1986 wurde das Endlager, das schon seit 1981 in Betrieb ist, von der DDR-Regierung genehmigt. Die Genehmigung bekam der VEB Kombinat Kernkraftwerke in Greifswald. Am Abend vor der deutschen Vereinigung übertrug dieser VEB, längst zu Energiewerke Nord umprivatisiert, das Lager an das Staatliche Amt für Atomsicherheit und Strahlenschutz (SAAS) der Noch-DDR. Das SAAS ging wenige Stunden später an das Bundesamt für Strahlenschutz über und brachte als Morgengabe ein komplettes Endlager in Betrieb mit. Nur ohne Betriebsgenehmigung. Denn schon seit Juli 1990 gilt auch auf dem Boden der DDR das bundesdeutsche Atomgesetz, das den privaten Betrieb eines Endlagers kategorisch verbietet. Claudia Fittkow ist der Überzeugung, daß damit die Betriebsgenehmigung für das Endlager automatisch erloschen ist, und konnte im Februar auch die Richter von dieser Meinung überzeugen. Sie machten das Lager erst mal dicht.

Mit wahren Gutachterschlachten bereiteten sich die Rechtsanwältin und das Bundesamt für Strahlenschutz auf den Termin am Mittwoch vor. Und in der Verhandlung schenkten sie sich nicht allzuviel. Beide Seiten bezweifelten fröhlich die Gutachten der Gegenseite, von denen insbesondere eines der Reaktorsicherheitskommission so viele Fragen offenläßt, daß selbst Bundesumweltminister Klaus Töpfer vor wenigen Wochen sagte, das Lager bleibe dicht, bis diese Unklarheiten beseitigt seien, völlig unabhängig von der Entscheidung der Magdeburger Richter. Unklar ist zum Beispiel noch die geologische Standortbestimmung sowie das Problem möglicher Wasser- und Laugeneinbrüche. Ebenfalls ungeklärt ist, welche Probleme die mehrfachen Verbindungen zum Nachbarschacht mit sich bringen können. Der ist nämlich schon zweimal abgesoffen. „Aber für die jetzige Betriebsphase sind diese Probleme unerheblich“, fand der Vertreter des BfS. Denn nach den Bestimmungen des Einigungsvertrages könnte das Endlager noch bis zum Jahr 2000 weiterbetrieben werden. Erst dann wäre ein neues Genehmigungsverfahren einschließlich eines Planfeststellungsverfahrens fällig. Und noch vor der Beratung des Gerichts zog der BfS-Vertreter seine vermeintliche Trumpfkarte. „Wenn das Gericht weiterhin den Endlagerbetrieb in Morsleben untersagt, müssen wir wegen der anstehenden Entsorgungsprobleme mindestens drei Zwischenlager für atomare Abfälle in den neuen Ländern einrichten“, drohte er und erläuterte auch, warum das BfS so hartnäckig die völlige Unbedenklichkeit des Endlagers beteuert: „Weil es echte Entsorgungsprobleme gibt, muß das BfS die Rechtsposition vertreten, daß das Endlager völlig sicher betrieben werden kann.“