Kieloben-Feier

■ Richtfest beim Gaffelschoner des Jugendkutterwerks / Holzschiff ohne Tropenholz?

Zeichnung

Schiff

Aus den Konstruktionsunterlagen von Volker Behr: Man beachte das Gaffelsegel am (rechten) Schonermast!

Er steht auf dem Kopf, man kann die Rippen zählen, einen Namen hat er noch nicht, obwohl er schon 20 Meter lang ist: der „moderne Gaffelschoner“, dessen „Kiellegung“ gestern beim Jugendkutterwerkes gefeiert wurde. Kiellegung im modernen Holzschiffbau heißt: Nachdem das Bootsgerippe aus Spanten, Stringern und Schotten „auf dem Kopf“ aufgebaut wurde, wird bei einer Art „Richtfest“ der endlos lange, gebogene Kiel aufgelegt. Zur Feier des Tages erschienen gestern in der gelben Halle des Jugendkutterwerks auf dem Gelände des Bremer Vulkan in Vegesack die Sozialsenatorin Sabine Uhl, Vertreter des Senators für Arbeit, Ingenieure von Lürssen und Vulkan und an die 150 InteressentInnen.

Das Jugendkutterwerk, ein eingetragener Verein mit der Aufgabe, einerseits junge Menschen im Berufs des Holzbootbauers auszubilden und andererseits das Jugendsegeln zu fördern, startete Mitte diesen Jahres eine Umschulungsmaßnahme mit dem erklärten Ziel, ein großes, sicheres, hochseetaugliches Schiff mit guten Segeleigenschaften zu bauen. Das traditionelle Jugendsegeln auf Oldtimern krankt oft daran, daß wegen des schlechten Am-Wind-Verhaltens dieser Schiffe nur begrenzte Kurse gelaufen werden können und daß man bei ungünstigem Wind oft lange im Hafen liegt. Nach neuen Bauplänen des Ausbilgungsleiters Volker Behr, eines gelernten Schiffskonstrukteurs, entsteht jetzt eine schlanke, bis 14 Knoten schnelle Yacht für bis zu 16 Personen Besatzung, das sich schon von relativ Ungeübten beherrschen läßt. Es handelt sich um einen Kurzkieler mit gut 25 Tonnen Verdrängung, der in der Grundbesegelung 180 qm Segeltuch in den Wind hängen kann.

Bei den Planungen hatten ökologische Fragen von vornherein Vorrang. Das fängt an bei den verwendeten Leimen, wie lange dünsten sie aus? Das betrifft die Schmutzwasser“entsorgung“, aber insbesondere das Baumaterial. Weitgehend wird auf das im Bootsbau überwiegend verwendete Tropenholz verzichtet. Die Außenhaut beteht z.B. aus formverleimter Lärche. Vier wie Sperrholz verleimte dünne Holzschichten machen das Boot — im Vergleich zu traditionell beplankten Holzschiffen — relativ leicht. Und — revolutionär für ein Holzschiff - dicht wird es sein. Die toten Ratten werden nicht mehr im Bilgenwasser schwimmen.

Das auffälligste Merkmal des Schoners wird — wenn er in einigen Jahren auf der Weser dümpelt oder durch die Nordmeere hetzt — seine Takelage sein. Der vordere, kleinere Schonermast ist mit einem historisch anmutenden Gaffelsegel bestückt, dem in Verbindung mit dem Topsegel am Großmast hervorragende Windkraft-Ausbeute nachgesagt wird. Übrigens werden auch die Segel hier hergestellt: Unterm Dach der Halle befindet sich eine komplette Segelmacherei.

Das Jugendkutterwerk stellt mittlerweile einen beachtlichen Betrieb dar: Man wirtschaftet mit einem Etat von 1 Million (Gelder vom Arbeitsamt, von Bremen und der EG) und arbeitet mit 65 Beschäftigten, davon 20 bis 30 UmschülerInnen und Azubis, die hier ihren Gesellenschein erwerben. Holzbootsbauer, so erklärt Peter Küchker von der Geschäftsleitung, werden gebraucht, seit Holzschiffe wieder in Mode kommen. Die Ausbildung sei so vielseitig, daß auch andere Holzverarbeiter sich für die hier Ausgebildeten interessieren. Acht haben ihre Lehre abgeschlossen und kamen u.a. bei Werften unter. Eine Bootsbauerin wurde technische Zeichnerin.

Bis der Sekt an die Bordwand kracht, wird es noch einiges zu feiern geben. Der nächste Termin, fürs kommende Jahr ins Auge gefaßt, heißt Schiff umdrehen. Bus