Kulturelle Identität gegen Vereinnahmung durch Dealer

■ Solidarische Hilfe will mit straffälligen Kurden auch präventiv arbeiten

„Wenn Baki kommt, ist das für die Jungs immer ein Höhepunkt“, erzählt Helmut Oppermann von der „Kurdischen Solidarischen Hilfe“. Baki heißt eigentlich Abdulbaki Adsiz, ist in Bremen asylberechtigter Kurde und seit etwa acht Monaten Sozialarbeiter im Jugendknast in Blockland. In einem Projekt der „Solidarischen Hilfe“ betreut er rund 40 kurdische Jugendliche, die wegen Verdacht auf Drogenhandel in Untersuchungshaft sitzen.

„Die Jugendlichen kommen erst hier mit der Drogenszene in Kontakt. Sie wissen nicht, welche Auswirkungen Drogen auf Menschen haben“, berichtet Adsiz. „Wenn ich sie frage, warum sie das Gift verkaufen, antworten sie: 'Wenn ich es nicht tue, verkaufen es andere' und 'diese Menschen (die Konsumenten) müssen es konsumieren.' Das sind keine guten Antworten.“

Adsiz versucht deshalb, bei den Jugendlichen Unrechtsbewußtsein überhaupt erst zu wecken. Aufklärung steht deshalb im Vordergrund, wenn Abdulbaki Adsiz sich mit seinen jungen Landsleuten trifft: Über die Wirkung von Drogen informiert er sie, aber auch über die gesellschaftlichen Folgen ihres Tuns. Adsiz macht ihnen klar, daß sie alle 8.000 in Bremen lebenden Kurden in Verruf bringen, obwohl insgesamt nur rund 200 in Drogengeschäfte verwickelt sind.

Er führt sie aber auch an ihre eigene Kultur heran, die sie unter türkischer Besatzung bisher nicht erleben durften: Sie sprechen kurdisch, lernen kurdische Tänze, erarbeiten sich die gemeinsame Geschichte. Unmoral und Ehre spielen eine wichtige Rolle in Gesprächen und Spielen. Sie erfahren dadurch eine Stärkung ihrer Identität, eine Stabilisierung ihrer Persönlichkeit, die sie auch außerhalb der Haftanstalt den Vereinnahmungsversuchen von diversen Onkeln und Verwandten widerstehen läßt, berichten Adsiz' ehrenamtliche Kollegen von der „Kurdischen Solidarischen Hilfe“.

Erfolge sehen sie nicht zuletzt darin, daß mittlerweile acht der jugendlichen Untersuchungshäftlinge in Maßnahmen der Haftverschonung wechseln konnten. „Und die wurden bisher auch nicht wieder straffällig“, so die Helfer stolz. Einen Jugendlichen hätten sie sogar dem kriminellen Einfluß eines Bruders entziehen und ihn zu Verwandten nach Hamburg vermitteln können.

„Wir wollen unsere Arbeit aber nicht auf den Knast beschränken, sondern präventiv ansetzen“, betont Helmut Oppermann. Die jugendlichen Flüchtlinge, die ihre Eltern oft unter großen Anstrengungen nach Deutschland schickten, dürften gar nicht erst im Dunstkreis der Dealer in Gemeinschaftsunterkünften landen.

Noch haben die anderen kurdischen Kulturvereine Angst, sich um die straffällig gewordenen Jugendlichen zu kümmern. Die „Kurdische Solidarische Hilfe“ will deshalb einen Kontaktladen einrichten, der es auf breiterer Basis ermöglicht, die in Bremen lebenden Kurden in die Arbeit einzubeziehen. Das Ringen um die Finanzierung hat begonnen.

In der Anstalt selbst wird die Arbeit der „Kurdischen Solidarischen Hilfe“ insgesamt positiv beurteilt: „Wir begrüßen jedes Gesprächsangebot, sofern es auch angenommen wird“, betont Manfred Wiegand, der Leiter der Jugendvollzugsanstalt Blockland. Besonders günstig wirke sich natürlich aus, daß Adsiz aus dem Kulturkreis der Jugendlichen komme und ihre Sprache spreche, so daß er zu ihnen einen ganz anderen Zugang als die deutschen Kollegen und Sozialarbeiter in der Anstalt finde. In der Entlassungsvorbereitung und dem Fernziel zu einer Gleichbehandlung von ausländischen und deutschen Jugendlichen in Maßnahmen der Haftvermeidung sieht Wiegand eine wichtige Aufgabe der integrativen Sozialarbeit.

Sichtbar wurden bisherige Erfolge des kurdischen Sozialarbeiters bei einem Folkloreabend in der JVA in der vergangenen Woche. Außer Mitarbeitern der Anstalt waren auch Rechtsanwälte, Vertreter der Justizbehörde und der zuständige Jugendrichter gekommen. „Die Jugendlichen hatten die Möglichkeit, sich darzustellen. Das haben sie als Erfolg empfunden. Diese Rückkopplung ist ein wichtiger Aspekt, wenn man bedenkt, daß sie sonst nur erfahren, was sie alles nicht dürfen und was sie falsch machen“, beschreibt Anstaltsleiter Wiegand den Abend.

Für Justizpressesprecher Jürgen Hartwig ist die Initiative der „Solidarischen Hilfe“ nur Teil eines ganzen Maßnahme-Paketes: Sie unterstütze die integrative Ausländerarbeit im Knast, die von zwei SozialarbeiterInnen, einem Dolmetscher und zwei Werkmeistern geleistet werde. Ein bißchen läßt er dabei durcblicken, daß seine Behörde den kurdischen Sozialarbeiter gern selbst beschäftigt hätte. Birgitt Rambalski