Zwei alt, ein neu und Gleichgesinnte tanzen

■ Die wiederbelebten Original-»Fehlfarben« im Loft: Tanzmucker-Arrangements im Stil von Sparkassen-Jingles

Die Arbeitsgemeinschaft Rockmusik in der SPD Schöneberg hatte eingeladen, und einige hundert aufrechte Demokraten kamen, um für 27 Mark dort zum Herzschlag der vorgeblich besten Musik zu tanzen, wohin das Konzert der Fehlfarben mangels Masse verlegt worden war: ins Loft. Im kleinen Saal stand das Publikum Bart an Bart — und obwohl manche/r vor dem Auftritt auf dem Fußboden Platz genommen hatte, wollte sich drangvolle Enge nicht recht einstellen. Milchgesichter jeden Alters mit Schnurr- oder Vollbart, biertrinkende Langhaarige mit abgeschnittenen Haaren und ihre weiblichen Pendants boten ein Stelldichein, gegen das sich Delegiertenversammlungen der erwähnten Partei wie prachtvolle Defilees ausnehmen.

Das Essener Trio Mirror Images, die Vorgruppe, war leider nicht das Inkognito von Xao Seffcheque, Peter Heins Kollegen aus Family-Five-Tagen. Der handwerklich brav gespielte Verschnitt mehrerer Beatgruppen aus Ländern der Europäischen Gemeinschaft langweilte wie die zaghaft intonierten englischen Texte. Besser hätten sich hier die Berliner Tanzenden Herzen gemacht, die dem Publikum seit Jahren mit Beat und peinlichen deutschen Texten Gänsehaut verursachen.

Mit der Stimme hatte auch Fehlfarben-Sänger Peter Hein Probleme. Das mit künstlichem Nebel und Synthie-Bass auf BAP-Niveau transponierte Intro zu Paul ist tot klang so leblos wie das Gros aktueller Songs, die nach dem Schema »zwei alte, ein neuer« eingeflochten wurden. Der zwischen fünf Musikern eingeklemmte Hein, der bei Mittagspause und Family Five sein Talent als bekennender Dilettant unter Beweis stellte, mochte sich zwischen Frank Sinatra und Ramones nicht recht entscheiden.

Die bald zu unkommunikativer Lautstärke sich steigernden Tanzmucker-Arrangements im Stil von Sparkassen-Jingles des vergangenen Jahrzehnts ließen die Liedzeilen kaum mehr durchdringen. Doch waren der anwesenden reiferen Jugend Gassenhauer wie Es geht voran noch präsent. Hauptsache war schließlich, daß Gleichgesinnte tanzten. Und das taten sie — zwar nicht Pogo wie zwei Tage zuvor in Frankfurt (Main) — doch es schien, als habe Texter Thomas Schwebel 1981 seine Klientel von heute vorhergesehen: »Lampen blenden / über gläubige Gesichter / Menschen drängen / wie Insekten zum Licht«.

Ohne den Eindruck vollständig zu zerstreuen, aus altem Ruhm mit mäßigem Kraftaufwand neues Geld zu machen, gingen die Düsseldorfer Buben nach drei langen Zugaben — alle Songs des bekannten Albums Monarchie und Alltag waren gespielt — strahlend von der Bühne. Band und Zielgruppen hatten sich gefunden, und Michael Kemner — ganz Rocker, aber auch ganz Mensch — rief mit geballter Faust ins Loft: »Ihr wart echt Klasse.« Tschüß, bis in drei Jahren bei Joe am Wedding. Stefan Gerhard