Die Glühbirnen-Verschwörung

Offiziell hat sich das Glühbirnen- Kartell, das weltweit die Brenndauer von Glühlampen abspricht und Dissidenten mit aus einer Kriegskasse finanzierten Dumpingpreisen vom Markt fegt, aufgelöst. Der Kampf um die Abwicklung des Ostberliner Glühlampen- Werks Narva indessen macht den Anschein, als sei die gute alte „International Electrical Association“ nach wie vor aktiv. Zeichnungsberechtigt für die Konten der IEA bei der „Societé de Bance Suisse“ ist niemand anderes als Siemens-Chef Karlheinz Kaske — und Siemens hat bekanntlich eine Tochter: Osram.

Am Werbe- und Verkaufsstand des Berliner Glühlampenwerks Narva vor dem Schöneberger Rathaus, den der Betriebsrat zusammen mit der Fraktion der Grünen/Bündnis 90 am vergangenen Mittwoch organisiert hatte, kauften überraschend viele Polizisten Glühbirnen, zum Teil ganze Tüten voll. Die Wollverkäuferin am Stand links daneben war richtig sauer über den Andrang : „Diese Scheiß-Narva-Leute haben mir heute das ganze Geschäft vermasselt.“ Die Unterwäsche-Verkäuferin auf der anderen Seite begrüßte dagegen die Aufregung um Narva. Anfänglich, als die Betriebsratsleute das Transparent „Narva lebt!“ aufhängten, dachte sie jedoch: „Ach du Scheiße, jetzt kommt hier eine Sekte.“ Das mit dem „Arbeitsplatzerhalt“ im Berliner Glühlampenwerk fand sie dann aber ganz prima.

Um Ähnliches geht es auch in einer ostfrieslandweiten Solidaraktion: Wie die dortigen Landratsämter soeben vermelden, werden heute abend — „an einen alten friesischen Brauch anknüpfend — aus Solidarität mit den 2.700 von Entlassung bedrohten Beschäftigten der AEG Olympia Office GmbH die elektrischen Lichter aus und in den Fenstern Kerzen angehen“. „Noch haben wir den Kampf um das Wilhelmshavener AEG-Werk, das auf Beschluß der Frankfurter Muttergesellschaft AEG AG und des Daimler-Benz- Konzerns Ende 1922 geschlossen werden soll, nicht aufgegeben“, heißt es dazu vom Betriebsrat.

Die 'Süddeutsche Zeitung‘ berichtet am selben Tag von einer anderen Solidaritätsaktion mittels Lichtsignalen: „In der Tschechoslowakei haben am Sonntag nahezu drei Millionen Haushalte ein deutliches Zeichen für die Erhaltung des Staates gesetzt. Zwei Studenten, ein Slowake und ein Tscheche, hatten in einer Talkshow die Zuschauer aufgefordert, die Frage ,Wollen Sie in einem gemeinsamen Staat leben, das heißt in einer demokratischen Föderation mit zwei gleichberechtigten Republiken?‘ mit dem Anschalten von zwei 100-Watt-Glühbirnen zu bejahen. Diese von Präsident Havel vorgeschlagene Fragestellung hatte das Bundesparlament in Prag am 13. November mit den Stimmen der slowakischen Abgeordneten und der Kommunisten abgelehnt.“ In gewisser Weise hat sich mit dieser Aktion die Glühbirnen-Werbung umgedreht: Noch 1940 meinte Oskar Maria Graf in New York — in seiner Rede „Die Juden stehen nicht allein“: „Die Glühbirne hat das Leben des einzelnen Menschen mehr verändert als etwa, ich will das durchaus nicht spöttisch verstanden wissen, die Gründung des Deutschen Reiches durch Bismarck.“

All dies gilt es zu bedenken, wenn man für die Osram-Konkurrenz, Narva, zum Beispiel Werbung machen müßte. Die Fabrik hat kein Geld, Werbung zu kaufen: Die Treuhand will Narva so schnell wie möglich privatisieren (nachdem der Beschluß, das Werk Osram zuliebe über den Bauspekulanten Klingbeil abzuwickeln, revidiert werden mußte). Dies soll nun über die Frankfurter Effectenbank passieren. Sie ist ein Tochterunternehmen der Credit Suisse First Boston, die zur Schweizerischen Kreditanstalt gehört. Und dort wiederum befindet sich ein Gutteil des 22-Milliarden-Mark-Vermögens der Siemens AG, deren Tochterunternehmen die Osram GmbH ist.

Nachdem zuerst die ehemalige Narva-Kombinatsleitung, dann die Treuhand und zuletzt der Elektrokonzern Auditor Price Waterhouse Osram das Narva-Werk angeboten hatten, versuchte es nun auch noch mal die Effectenbank — ebenfalls vergeblich. Gegen Siemens ist aber schlecht eine „objektive Verkaufsentscheidung“ zu treffen: Würde Konzernchef Karlheinz Kaske, der nur eine Übernahme durch einen Branchenfremden toleriert, die Kleinigkeit von drei Milliarden plötzlich aus der Schweiz transferieren wollen, wäre es mit der „sauberen“ Privatisierung durch die Effectenbank schnell vorbei. Und zu allem Überfluß hat die Pressekampagne zugunsten der Erhaltung der Lichtproduktion bei Narva jetzt auch noch dazu geführt, daß man sich dort vor lauter Aufträgen schon überlegt, ob wieder „dreischichtig gefahren“ werden soll. Kurzum: Der momentane Stand der Privatisierung/ Abwicklung bei den DDR-Elektrobetrieben ist „sehr heikel“, meint man im Bundeskartellamt, und läßt durchblicken, daß derzeit Verhandlungen zwischen Treuhand, Kartellamt und den Elektrokonzernen stattfinden. Helmut Höge