„Vertriebsbindung“ ist rechtens Kaufhof/ITS muß draußen bleiben

■ TUI und NUR dürfen von ihren Vertragspartnern nun doch verlangen, nur Eigenangebote zu verkaufen

Berlin (taz/dpa) — Über das Urteil dürfen sich das Bundeskartellamt und Verbraucherverbände ärgern, weiten Teilen der Reisebranche kommt es entgegen: Letztinstanzlich hat der Kartellsenat des Berliner Kammergerichts befunden, daß der Wettbewerb nicht gefährdet werde, wenn die Großveranstalter ihren Vertragsreisebüros verbieten, auch Angebote der Konkurrenz zu verkaufen. Heißt konkret: TUI darf von den privaten Reisebüros auch weiterhin verlangen, keine NUR- und ITS- Reisen zu verkaufen, und NUR darf gegen ITS ebensolches tun. ITS blieben damit 80 Prozent der Reisebüros versperrt.

Das Bundeskartellamt hatte hingegen 1988 eine Wettbewerbsgefährdung gesehen und die „Vertriebsbindung“ untersagt. Doch dabei wird es nun bleiben: Beschwerde beim Bundesgerichtshof wurde nicht zugelassen.

Das heißt: Gründliche Preis- und Leistungsvergleiche bei den Pauschalreisen sind weiterhin nur durch das Abklappern mehrerer Reisebüros möglich. Das Bundeskartellamt hatte damals argumentiert, durch die Ausschließlichkeitsbindung würden nicht nur die Vergleiche unzulässig erschwert, sondern durch die Vielzahl der Marken einzelner Großveranstalter würde außerdem der Eindruck echten Wettbewerbs erweckt. Nach Umfragen hatten 66 Prozent der Reisewilligen beim Betreten eines Büros keine klare Vorstellung davon, mit wem sie reisen wollten. 64 Prozent lassen sich beraten, bei welchem Veranstalter sie buchen sollen, und 60 Prozent lassen sich sogleich umstimmen, wenn der gewünschte Veranstalter nicht von der Agentur vertrieben wird.

Die beiden Konzerne argumentierten genau andersherum: Die Vertriebsbindung sei im Grunde genommen das beste für die privaten Reisebüros (die im Schnitt die Hälfte ihres Umsatzes mit Angeboten ihrer Großen machen) und auch für die kleinen Reiseveranstalter. Denn wenn die Büros mit Tonnen von Prospekten auch noch der Konkurrenz zugeschüttet würden, blieben die kleinen Veranstalter auf der Strecke. Denn dann würden sich die Büros darauf beschränken, die Veranstalter zu bedienen, die ein umfassendes, lukratives und sicheres Angebot machen. Zudem seien die TUI-, NUR- und ITS-Buchungscomputer sehr teuer und bräuchten Platz, den es in vielen Büros gar nicht gebe. — ITS muß also draußen bleiben; kein Wunder, daß ein Firmensprecher gestern gleich über eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof nachdachte. Von TUI wurde hingegen Genugtuung gemeldet, von NUR Gelassenheit. Der Bundesverband mittelständischer Reiseunternehmen (ASR) ließ verlauten, man könne mit dem Urteil gut leben, und der TUI- freundliche Deutsche Reisebüro- Verband hatte ohnehin die Aufrechterhaltung der Vertriebsbindung gefordert.

Der Witz dabei ist nicht nur, daß ASR-Chef Albrecht Veibel davon ausgeht, daß die bequeme Marktaufteilung per Ausschließlichkeitsklausel im EG-Binnenmarkt keinen Bestand haben wird. Zudem wird auch die Mutter des TUI/NUR-„Opfers“ ITS, der Karstadt-Konzern, bei TUI- Miteigentümerin Horten einsteigen — die ganze Branche ist so ineinander verschachtelt (siehe Kasten), daß nur die Ausrufung eiserner Konkurrenz selbst unter Schwesterfirmen einigermaßen Ordnung im Markt zu halten verspricht.

Daß aber diese Konkurrenz den KäuferInnen nicht zugute kommen kann, ist dann wohl die Ironie der Marktwirtschaft. Dietmar Bartz