Inge Viett gibt Schüsse auf Polizisten zu

■ Die RAF-Aussteigerin gestand, einen Pariser Flic „in Panik“ angeschossen zu haben

Koblenz (dpa) — Die RAF-Aussteigerin Inge Viett (47) hat am zweiten Prozeßtag zugegeben, am 4. August 1981 in Paris „in Panik“ auf einen französischen Polizisten geschossen zu haben, der sie verfolgte. Der Polizist war dabei so schwer verletzt worden, daß er seitdem gelähmt ist. Außerdem schilderte Frau Viett gestern vor dem Oberlandesgericht Koblenz die militärische Ausbildung, die RAF-Mitglieder im Frühjahr 1981 in der DDR von der Stasi erhalten hatten. Inge Viett muß sich wegen vierfachen Mordversuchs und Mitgliedschaft in der RAF vor Gericht verantworten.

Seit dem Frühsommer 1981 habe sie zurückgezogen von der aktiven RAF-Gruppe, der sie sich weitgehend entfremdet gefühlt habe, in Paris gelebt, sagte Frau Viett. Dort habe sie den „Nachlaß“ der „Bewegung 2.Juni“ geordnet, der sie bis 1979 angehört habe. Zu den Schüssen auf den Polizisten kam es nach Darstellung der Ex-Terroristin nach einer Verfolgungsjagd in Paris. Sie habe auf ihrem Motorroller keinen Sturzhelm getragen, was in Frankreich Pflicht gewesen sei. Als der Polizist sie angehalten und gestellt habe, habe sie ihn mit ihrem Colt bedroht. Als der Polizist daraufhin seine Waffe zog, habe sie geschossen und sei weggerannt. Sie habe den Mann aber keinesfalls töten wollen, betonte Frau Viett vor Gericht. Die Nachricht von der schweren Verletzung ihres Opfers habe sie aus dem Radio erfahren.

Die RAF-Schießausbildung in der DDR hat nach den Worten der Angeklagten sechs bis acht Wochen gedauert, wobei die Teilnehmer im Schießen mit Langwaffen, mit einer Panzerfaust und in Sprengwaffenkunde unterwiesen worden seien. Es sei auch auf einen Mercedes geschossen worden, in dem Strohmenschen und ein lebendiger Schäferhund gesessen haben, so Frau Viett. An der Ausbildung hätten Adelheid Schulz, Helmut Pohl, Christian Klar und sie selbst teilgenommen. Die Ausbildung in der DDR sei durchaus nicht die erste Militärausbildung für die RAF gewesen, so die Angeklagte. Vorausgegangen seien eine Reihe entsprechender Ausbildungen im Jemen.

Kurz nach der Ausbildung in der DDR — im September 1981 — verübte die RAF einen Anschlag mit einer Panzerfaust auf den US-General Frederik Kroesen. Einen Zusammenhang wollte Frau Viett vor Gericht nicht bestätigen. Der Prozeß wird am kommenden Mittwoch fortgesetzt.