Weihnachtsmann-Fundis gegen Aufklärer

■ Multi in Reinkultur: Die moderne Legendenbildung erlaubt mehrere Modelle vom Weihnachtsmann

Da bekam Ilonas heile Welt den ersten Riß: Der Weihnachtsmann hatte ihr eine Micky-Mouse- Jacke unter den Tannenbaum gelegt, und als sie sie anzog, war sie viel zu groß!!! „Nun ja“, beruhigte sie ihre Mutter, „kann denn der Weihnachtsmann die Größen aller Kinder im Kopf haben?“

Als Ilona (5) ihr Turmerlebnis in ihrem Kindergarten erzählte, erntete sie Spott und Hohn. „Die Geschenke kaufen Deine Eltern“, klärte sie ihre Freundin auf, „und wenn die Jacke nicht paßt, tauschen sie sie um.“

Eine gewagte These, wenn man sie mit anderen Geschichten vergleicht, die Bremer Kinder erzählen: Neele (6) glaubt zum Beispiel, daß der Weihnachtsmann auf der höchsten Wolke wohnt und die Engel die Geschenke im Holzschuppen nebenan machen.

Der Weihnachtsmann holt das Geld von der Sparkasse

Jannes (5) wiederspricht heftig: Der Weihnachtsmann kauft die Geschenke natürlich im Spielzeuggeschäft, und das Geld holt er sich vorher von der Sparkasse. Und auch diese Geschichte läuft um: Die Eltern sagen dem Weihnachtsmann Bescheid, wie artig das Kind gewesen ist. Entsprechend werden die Geschenke in der Nacht abgeladen.

Die Diskussion um die Weihnachtsmann-Frage erlebt jedes Jahr um diese Zeit einen neuen Höhepunkt. Erzieher und Erzieherinnen stehen zwischen den Fronten der Weihnachtsmann- Fundamentalisten und säkularisierten Aufklärer.

„Wir bemühen uns hier, den Kinder die historische Figur des Nikolaus und seine Geschichte zu vermitteln“, erklärte die Leiterin des Kindertagesheimes (KTH) Neuwieder Straße, Ilona Weier- Schulz. „Jedes Kind lebt hier mit seiner Version vom Weihnachtsmann.“

Die historische Geschichte soll vor allem Angst der Kinder abbauen: Der Weihnachtsmann ist für viele immer noch ein Rutenschwinger und drückt die Geschenke nur dann ab, wenn die Erwachsenen finden, daß die Kinder artig gewesen sind.

Eine feste Linie scheint es bei der Vermittlung des Weihnachtsmann-Weltbildes in öffentlichen Kindergärten nicht zu geben.

Der Weihnachtsmann ist, also bin ich

Anne Kluwe-Krasel vom KTH Ackerstraße berichtet von einem friedlichen Nebeneinander der verschieden Fraktionen. „Die Kleinen sehen doch die Weihnachtsmänner überall. Also gibt es sie auch. Welche Funktion man ihnen zuschreibt, ist Sache der Eltern.“

„Für die Kleinen ist der Weihnachtsmann einfach nur spannend“, sagt auch Norma Ranke vom KTH Halmer Weg. Hier kommt der Rauschebart zur Feier noch persönlich vorbei, und alle freuen sich: Auch die, die älter sind und erraten, wer unter der Kutte schwitzt. Aber Geschenke gibt es immer, und das ist die Hauptsache.

Schwierig wird die Weihnachtsmann-Frage erst in privat- organisierten Kindergruppen. Karin Wolf, die in der Schwachhauser Gruppe „Sternchen“ arbeitet, hat jetzt eine Gruppe mit Kleinen, die alleh die Bank an den Weihnachtsmann glauben. „Das war aber auch im letzten Jahr so, als wir Schulkinder hatten“, erzählt sie. Die Weihnachstmann- Linie sei von den Eltern gewünscht und werde in der Gruppe auch entsprechend behandelt.

Brisanz schwingt mit, wenn die Kinder anfangen, für ihre Eltern Geschenke zu basteln. Doch mit etwas Phantasie kann man auch diese Hürde nehmen.

„Der Weihnachtsmann schenkt Erwachsenen nichts, weil die sich doch alles kaufen können“, sagt Michael (5), der seinen Eltern zum Trost jetzt einen schicken Fensterschmuck bastelt, Aber Psst, nichts verraten!