Nachgefragt: „Der Versuch, zu gestalten“

taz: Du hast zu Beginn der Verhandlungen gesagt, es müsse mit dem Skalpell gespart werden. Wie fein waren die Schnitte?

Ralf Fücks, Senator für Umweltschutz, Stadtentwicklung und Energie in spe.

Die Alternative war ja das Hackebeil. Und es hat sich entpuppt, daß die finanzielle Ausgangslage noch dramatischer ist als wir vermuteten. Es sind etliche Leichen ans Tageslicht gekommen, die die SPD vorher im Keller verbuddelt hatte.

Zum Beispiel?

Es hat sich herausgestellt, daß in der mittelfristigen Finanzplanung ab '93 kein Geld für Wohnungsbauförderung enthalten ist. Genauso wenig gibt es ein Investitionskonzept für das neue Abfallwirtschaftskonzept, das ja zur Stillegung der Müll-Verbrennungsanlage führen soll. Und um ein drittes Beispiel zu nennen, wir kommen genau jetzt in eine Phase, in der die Defizite der BSAG explodieren, die durch Verlustzuweisungen aus dem Stadthaushalt zu decken sind, weil die Bremer Straßenbahn seit einigen Jahren ihre Investitionen selbst per Kredit finanzieren muß.

Kann man da überhaupt Lust haben, zu regieren?

Entweder man sagt: 'Danke, da verbrennen wir uns lieber nicht die Finger, löffelt die Suppe mal selber aus, die ihr da eingebrockt habt.' Oder man versucht, selbst in einer finanziell so dramatischen Situation noch andere Prioritäten zu setzen – soziale Brutalitäten zu verhindern und vor allem eine andere Sprache zu sprechen.

Das grüne Klientel hat Erwartungen. Geld ist keins da. Ist da nicht die Enttäuschung vorprogrammiert?

Selbst unter diesen Bedingungen liegen im Haushalts Umverteilungspotentiale, die für neue politische Schwerpunktsetzungen mobilisiert werden können. Zum Beispiel finanzielle Absicherung von selbstorganisierten Projekten und Initiativen. Mit dem entsprechenden politischen Willen ist das finanziell kein Problem. Und das haben wir auch durchgesetzt. Und im Investitionsetat ist ein Ausbau des ÖPNV finanziell abgesichert. Das Wirtschaftsaktionsprogramm hat nach wie vor ein Volumen von knapp 300 Millionen Mark pro Jahr, und da ist gerade im Hinblick auf ökologischen Umbau viel Spielraum. Die Frage wird eher sein, ob es uns gelingt, im politischen Alltagshandeln diese neuen Prioritäten auch durchzusetzen.

Also ist das Geld nicht das Problem?

Es gibt natürlich einige Punkte, die tun richtig weh. Da ist zum Beispield der Personalabbau. Nachdem die SPD in den letzten beiden Jahren 1.000 Stellen geschaffen hat, müssen wir jetzt wieder Stellen abbauen. Und dann werden wir mit dem Doppelhaushalt 92/903 die Gebühren erhöhen müssen. Das ist zum Beipiel im Abfallbereich unvermeidlich, um die notwendigen Investitionen zu finanzieren.

Freust Du Dich auf's Regieren?

Im Moment noch nicht. Es gibt die große Erschöpfung mach den Anstrengungen der letzten Wochen und dann gibt es auch eine Unsicherheit, ob die Grünen selbst dieser neuen Rolle gewachsen sein werden. Das ist ja eine Gratwanderung zwischen gesellschaftspolitischen Zielen und der Kunst des Machbaren. Und es ist schwer, gegen das Vorurteil anzuregieren, das persönliche Motiv sei einzig Macht und Karriere. Dabei wird übersehen, daß das der Versuch ist, auch unter schwierigen Bedingungen politisch zu gestalten. Fragen: hbk