"Come In" im Stasi-Komplex

»Come In« im Stasi-Komplex

Als Berliner hat man den Vorteil, kleine Reisen simulieren zu können. Man steigt in die S-Bahn und fährt hinaus, damit woanders, aber nicht allzuweit, andere Gedanken in den Kopf gelangen. In Röntgenthal, in Strausberg oder eben in Adlershof steigt man aus.

Das Kino des Neubaubezirks, der — so meinen viele — Marzahn oder Hohenschönhausen in Sachen Jugendkriminalität bald den Rang ablaufen wird, hat längst zugemacht. Statt dessen gibt es eine Diskothek, eine Spielhalle, ein paar Videotheken und das »Come In«. Kaum einer kann einem jedoch helfen, das »freie Bürgerzentrum« zu finden, das sich im Innern eines ehemaligen Stasi- Komplexes verbirgt. »Dies Adlergestell (Hauptverkehrsstraße, die Adlershof zerschneidet) ist praktisch wie 'ne Grenze«, erklärt Bruno, laut Arbeitsvertrag »Hilfserzieher« im Come In.

»Auf der einen Seite ist das Wohngebiet, auf der anderen Seite war halt früher dies Regiment: das Fernsehen, die Akademie. Da hatte man nichts verloren — da ging man nicht hin. Und dann ist das optisch natürlich nach wie vor trostlos: dunkel und Mauer drum'rum.«

Schulungseinrichtungen für dies und das befinden sich neben dem Bürger-Zentrum; eine Schauspiel- und Tanzschule wartet auf ihre Eleven, Kaiser's verwaltet von hier aus seine Filialen. Für die, die eher selten sich in den hohen Eingangsfluren der Bürohäuser herumtreiben, hat der Eingang des Come In durchaus etwas Sachlich-schön-verschroben- Romantisches.

In das durchschnittlich recht junge Publikum aus der Umgebung mischen sich Zufallsgäste aus den naheliegenden Einrichtungen. Die »Szene« wird man hier sicher vergeblich suchen. Finden wird man ein weiträumiges Musikcafé mit sanft orangefarbenen Jalousien an der Fensterfront, weiß leuchtendem Plastik-Mobiliar und zwei Billardtischen.

»Die einen wollen Billard spielen, die anderen spielen Theater«, meint Bruno, und »damit die Jugendlichen nicht die schwererarbeitete Kohle in irgendwelchen Spielhöllen lassen, wo's ganz viel Geld kostet, haben wir denen eben die Dinger hingestellt«. Am Billard qietscht vergnügt ein Kleiner: »Papa, ich hol' dir noch ein großes Bier.«

Das Come In ist eine Einrichtung der Jugendförderung. Anfangs suchte man die Adlershofer Kids vor allem mit Veranstaltungen an den Ort zu binden; inzwischen lockt man mit »sinnvolleren Beschäftigungen«. Es gibt Proberäume für Bands, einen Medienverein, wo Jugendliche mit der Kamera arbeiten — »einfach, damit sie sich mehr mit der Birne beschäftigen, anstatt Vietnamesen aufs Maul zu hauen« —, Puppentheater, Lesecafé, Englisch- oder Selbstverteidigungskurse für Frauen — »solche Sachen eben«, berichtet Bruno, der besonders stolz auf den Kinosaal ist, in dem etwa 800 Besucher Platz finden. Ostjugendliche, so meint er, seien zur Zeit und im Gegensatz zu WestlerInnen noch besser zu erreichen. »Wir kriegen den Anschluß noch ganz gut zu den Leuten. Wenn wir jetzt jedoch noch rumtrödeln, kann's fast zu spät sein. In Hamburg verprügeln die Kids ja schon die Streetworker.«

Im Come In kümmert man sich allerdings nicht nur um »Kids« und Cineasten; auch die »Älteren« (ab 25) — »für die läuft in Adlershof ja auch nicht mehr viel« — können sich bei »Rhythm&Blues-Parties« oder »Sandalettenfeten« amüsieren. Und nächstes Jahr zu Ostern hat man in Zusammenarbeit mit der UFA-Fabrik einen UFO-Kongreß geplant. »Das soll dann auf wissenschaftlicher Basis laufen; mit Spezialisten aus Rußland und von den Amis.«

Come In — Freies Bürgerzentrum, Rudower Chaussee 16-25, 1199 Berlin, S-Bahnhof Adlershof, montags geschlossen, Musikcafé di.-fr. 9 Uhr, sa.-so. 16 Uhr