: Krüger stellte Jugendpolitik in Bonn vor
■ Berliner Jugendsenator will neuen »Generationenvertrag«/ Berlin erhält im nächsten Jahr 1,2 Millionen Mark aus Aktionsprogramm der Bundesregierung gegen Agression und Gewalt
Berlin/Bonn. Seine Vorstellungen von Jugendpolitik hat Jugendsenator Thomas Krüger in dieser Woche in Bonn Abgeordneten und Interessierten vorgestellt. »In Zeiten der Wiedergeburt der Blutrache, in denen Tote und Verletzte einkalkuliert werden«, so Krüger, sei es höchste Zeit, aus den Äußerungen der Jugend (»Seismograph des Vertrauensschwundes der Politik in der Gesellschaft«) Konsequenzen zu ziehen und einen neuen »Generationenvertrag« auszuhandeln: Zurückdrängen der Erwachseneninteressen für mehr Freiräume für junge Leute. Die Frage des jugendpolitischen Sprechers der Bundes-SPD, Konrad Elmers, wie dieser Vertrag konkret angegangen werden solle, blieb mit den Allgemeinplätzen »Öffentlichkeitsarbeit« und »Bewußtmachung« weitgehend unbeantwortet.
Im Anschluß an die hehren Reden wurde Krüger dann konkreter. So schlug er vor, eine Info-Börse für Jugendliche aufzubauen, eine Art Mail-Box, die Überblick über Kontaktstellen zu Arbeitslosigkeit, Kriminalität, Drogen, Wohnungsnot und anderem zugänglich macht. »Die Computergeneration weiß doch, wie man mit Datenbanken umgeht«, so Krüger. Ein Vertreter der Naturfeundejugend blieb skeptisch: Ein staatliches Monopol schließe vermutlich bestimmte Projekte aus der Börse aus. Derartige Neuerungen gedenkt der Jugendsenator nicht nur aus öffentlichen Mitteln zu finanzieren. Statt dessen will er das social sponsoring mit Geldgebern für Jugendprojekte forcieren. Sowohl in der Verwaltung wie auch bei der Wirtschaft sei hierfür allerdings noch Lernbereitschaft nötig. Ansätze gibt es bereits: So wird Daimler-Benz auf dem Potsdamer Platz auch ein Kinderzentrum errichten.
Diese Strategie will Krüger noch ausbauen: In Stadtentwicklungskonzepten und beim Verkauf von Immobilien sollten Flächen für Jugendeinrichtungen ausgewiesen werden. Ein Beispiel hierfür sind die Ausschreibungsbedingungen beim Verkauf der Dienstleistungswürfel in Ost- Berlin. Die Käufer verpflichten sich, die Jugendklubs in den Dienstleistungswürfeln zu erhalten oder vergleichbare an anderer Stelle aufzubauen. Weiterhin gefördert werden sollen freie Träger statt öffentlicher Einrichtungen oder Verbände, (»sie sind langweilig und didaktisch hinter dem Mond«); Jugend-WGs statt Jugendheimen, Eikitas statt öffentlicher Kitas — kieznah und dezentral. Außerdem wird der sogenannte Experimentierfonds um eine Million Mark aufgestockt, aus dem flexible, zeitlich begrenzte Projekte finanziert werden.
Von den 20 Millionen Mark, die die Bundesregierung im kommenden Jahr für ein Aktionsprogramm gegen Aggression und Gewalt ausgeben will, werden 1,2 Millionen Mark nach Berlin fließen. Das teilte in Bonn Jugendstaatssekretär Peter Hintze mit. Thomas Krüger will mit dem Geld Streetwork in Berlin weiter ausbauen. Hintze wünscht sich von Berlin insbesondere den Ausbau von Strukturen im Ostteil der Stadt. »Es wäre natürlich problematisch , wenn die Gelder dann wieder in den Westteil flössen«, so Hintze.
Auch der Berliner Hauptausschuß debattierte gestern über Jugendpolitik: Zu den 1,2 Millionen Mark aus Bonn stellt das Land Berlin 1992 weitere 5,5 Millionen Mark zur Bekämpfung von Jugendgruppengewalt zur Verfügung. Mit dem Geld sollen die lange versprochenen 45 Streetworker im Ost- und Westteil eingestellt werden. Weitere 45 Stellen werden bei den freien Trägern der Bezirke eingerichtet. Auch die freie Straffälligenhilfe soll ausgebaut werden. Jeannette Goddar
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