Hilfe bei drohender Obdachlosigkeit

■ Treberhilfe eröffnet erste Beratungstelle im Ostteil/ Im Westteil sind 4.500 Jugendliche ohne Wohnung/ Der alte Teufelskreis: Ohne festen Wohnsitz kein Ausbildungsplatz und andersherum

Friedrichshain. Immer häufiger landen Jugendliche auf der Straße: Nach vorsichtigen Schätzungen sind etwa 4.500 Leute unter 25 Jahren in Berlin obdachlos. Die Karrieren gleichen sich oft: Zu Hause herausgeworfen oder abgehauen, aus dem Heim weggelaufen oder aus der Haft entlassen. Wenn eine Wohnung fehlt, fängt der Teufelskreis erst an: Ohne festen Wohnsitz keinen Arbeits- oder Ausbildungsplatz und umgekehrt. Anlaufstellen für obdachlose Jugendliche sind selten. Eine von ihnen ist die Treberhilfe Berlin, die im Westteil seit 1988 Übernachtungsmöglichkeiten und Wohnprojekte für obdachlose Jugendliche betreibt.

Am Montag eröffnet die Treberhilfe in der Niederbarnimstraße eine Kontakt- und Beratungsstelle (KBS) für junge Sozialhilfeempfänger. Mit Rechtsinformation und allgemeiner Beratung wollen vier Mitarbeiter dort präventiv tätig werden, um drohende Obdachlosigkeit zu verhindern. »Wir arbeiten jetzt sozusagen dreigleisig« erläuterte Geschäftsführer Harald Ehlert gestern das Konzept: »Die Beratungsstelle, damit das Kind nicht in den Brunnen fällt, die Übergangseinrichtungen für die, die schon drinliegen, und die längerfristigen Wohnprojekte, um es wieder rauszuholen.«

Über den Bedarf an Sozialhilfeberatung sind sich die Mitarbeiter, die alle aus Friedrichshain stammen, einig. »Die gesamte Rechtslage, Antragsverfahren und Zuständigkeiten sind hier neu«, sagt Mitarbeiter Bodo Herlitze. Allein durch die Erhöhung der Lebenshaltungskosten seien viele junge Leute von Obdachlosigkeit bedroht. Auch die Arbeitslosigkeit treffe oft junge Leute, die noch nicht lange im Betrieb sind. Wenn der Job weg ist, beginnt der Abstieg: »Erst Arbeitslosengeld, dann Arbeitslosenhilfe, zuletzt Sozialhife.«

Die KBS will mehr als nur beim Ausfüllen der Anträge helfen. Wichtig ist den Mitarbeitern insbesondere die Zusammenarbeit mit anderen Projekten — gerade in den Bereichen Wohnen, Sucht und Ausbildung. »Wir überlegen auch, hier Streetwork zu machen und unser Klientel selber zu suchen«, so Herlitze.

Einmal wöchentlich soll in der KBS ein Gruppenabend für und mit jungen Sozialhifeempfängern stattfinden, um der Isolation entgegenzuwirken. Ab Mitte kommenden Jahres ist in Berlin-Mitte eine weitere Übernachtungseinrichtung für junge Treber geplant. Bis dahin müssen die Mitarbeiter Obdachlose noch in die Läden nach Schöneberg oder Wedding verweisen. Die praktischen Probleme der Arbeit sind jedoch absehbar: Die KBS ist auf absehbare Zeit ohne Telefonanschluß. jgo