Mehr Drogentote als jemals zuvor

■ Schon 182 Menschen sind in diesem Jahr an den Folgen des Gebrauchs illegaler Drogen gestorben Landesdrogenbeauftragter Penkert bezeichnet Drogenpolitik des Senats dennoch als »erfolgreich«

Berlin. Die angehende Olympia- Stadt Berlin macht sich schon jetzt rekordverdächtig: In diesem Jahr wurden bereits 182 Drogentote registriert — so viel wie nie zuvor. Von den etwa 8.000 DrogengebraucherInnen sind nach Angaben der Berliner Aids-Hilfe rund 3.000 HIV-positiv und 500 an Aids erkrankt. Jugendsenator Krüger bezeichnete gestern den Anstieg der Drogentoten als »besorgniserregend«. Diese Entwicklung sei ein bundesweites Phänomen und erfordere verstärkt Präventionsmaßnahmen.

Die Ursache für die extrem angestiegene Zahl der Todesfälle durch illegale Drogen — im letzten Jahr waren es noch 143 — sieht der Landesdrogenbeauftragte Wolfgang Penkert einerseits im drastischen Anstieg des Wirkstoffanteils beim Straßenheroin, andererseits im zunehmenden Parallelgebrauch von Alkohol, Medikamenten oder Kokain. Ein Großteil der Drogentoten, zitiert Penkert aus einer Studie des Bundes, seien Rückfälle, Haftentlassene oder sogenannte »Stolpercleaner«, die nur ab und zu Drogen nehmen. In Ost- Berlin wurden nur vier Drogentote registriert, davon stammte einer aus Mecklenburg, die übrigen drei waren Westberliner.

Dennoch hält Penkert die Drogenpolitik des Senats für erfolgreich, habe sie doch erreicht, daß die Zahl der DrogengebraucherInnen in den letzten Jahren nicht wesentlich gestiegen sei. Eine Einschätzung, die viele Berliner Drogenprojekte und -beratungsstellen so nicht teilen mögen. Mit einem Info-Stand in der Berliner Innenstadt machten sie gestern darauf aufmerksam, daß vor allem die suchtbegleitenden Maßnahmen wie psychosoziale Betreuung und die Behandlung mit dem Drogen-Ersatzstoff Methadon zunehmend vernachlässigt würden. Für über 8.000 »illegale« Drogengebraucher würden gerade mal 400 Therapieplätze und lediglich rund 350 Methadon-Behandlungen angeboten. Lediglich vier Drogenberatungsstellen können überhaupt eine Substitutionsberatung durchführen. Während der Bundesrat eine Liberalisierung des Betäubungsmittelgesetzes vorbereite und die AG Drogenpolitik der SPD-Bundestagsfraktion sogar noch weitergehende Forderungen erarbeite, verhalte sich Berlin wie ein »toter Mann«.

So habe der Senat die Drogenreferatsstelle der Berliner Aids-Hilfe auf eine halbe Stelle heruntergekürzt. Durch neue Richtlinien der Krankenkassen bei der Methadonvergabe, so befürchten die Drogenprojekte, falle die bisherige Berliner Praxis der sozialmedizinischen Indikation künftig weg, übrig bliebe eine »Verschreibungsmöglichkeit auf dem Niveau medizinischer Sterbehilfe«. Die Kassen, so Penkert, hätten jedoch signalisiert, die Berliner Linie fortsetzen zu wollen. Bei der psychosozialen Betreuung muß der Landesdrogenbeauftragte allerdings »Engpässe« einräumen. Um Gelder dafür freizumachen, werde zur Zeit ein anderes Finanzierungssystem gesucht, beispielsweise über Einzelfallfinanzierung.

Ein Treffen HIV-infizierter DrogengebraucherInnen aus ganz Europa hat die Deutsche Aids-Hilfe für dieses Wochenende organisiert. Start ist heute um 10 Uhr im Stadttor am U-Bahnhof »Schlesisches Tor«. maz