Verschwunden, verhaftet, hingerichtet

■ Wer Waffengeschäfte recherchiert, kann dabei mit dem Leben bezahlen

Im Oktober 1986 enthüllte die Londoner 'Sunday Times‘, daß Israel Atomwaffen besitzt. Aus Informationen, die ihnen der israelische Nukleartechniker Mordechai Vanunu gegeben hatte, schlossen Wissenschaftler, daß Israel im Besitz von mindestens 100 bis 200 thermonuklearen Sprengsätzen sein müsse — womit Israel sechstgrößte Atommacht der Welt ist.

Vanunu wurde daraufhin vom israelischen Geheimdienst in London aufgespürt, nach Rom gelockt und von dort nach Israel entführt, wo er im März 1988 zu 18 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Seit seiner Entführung, also seit mehr als fünfeinhalb Jahren, wird Vanunu in Einzelhaft gehalten und durch Besuchs- und Postbeschränkung weitgehend isoliert. Amnesty international beschrieb bereits 1989 seine Haftbedingungen als „grausam und unmenschlich“. Israels Regierungen hatten seit Mitte der sechziger Jahre immer wieder bekräftigt, daß sie nicht der Vorreiter für Nuklearwaffen im Nahen Osten sein würden. Gleichzeitig jedoch weigerten sie sich, das Nichtverbreitungsabkommen zu unterschreiben und westliche Inspektoren aus dem nuklearen Forschungszentrum zuzulassen, in dem Vanunu von 1976 bis 1985 gearbeitet hatte. Experten hatten lange vermutet, daß Israel im Besitz nuklearer Sprengsätze sei (etwa 30 bis 50), erst Vanunus konkrete Informationen bewiesen es und machten zudem das Ausmaß der nuklearen Bewaffnung deutlich.

Der im Iran geborene Journalist des Londoner 'Observer‘, Farzad Bazoft, zahlte mit seinem Leben für den Versuch, mehr über das irakische Raketenprogramm zu erfahren. Im September 1989 war er zusammen mit anderen westlichen Journalisten eingeladen worden, die Wahlen für ein neues kurdisches „Parlament“ zu beobachten. Sein Interesse galt jedoch auch einem Raketenforschungszentrum bei al-Hillah, das nur einen Monat zuvor von einer riesigen Explosion erschüttert worden war; mehrere hundert Menschen sollen dabei ums Leben gekommen sein.

In der Hoffnung, klären zu können, ob der Irak chemische Waffen herstellt, sammelte Bazoft Bodenproben in der Nähe des Forschungszentrums. Am 15.September wurde Farzad Bazoft auf dem Flughafen von Bagdad verhaftet, am 10.Oktober wegen Spionage zum Tode verurteilt und fünf Tage später trotz internationaler Proteste hingerichtet.

Die britische Veterinärbiologin Sue Mayer protestierte gegen die Finanzierung eines Forschungsprojekts in der Tierlaborabteilung der Universität Bristol durch das britische Verteidigungsministerium. Sie begründete ihren Protest mit der Vermutung, daß die Forschungsergebnisse zur Entwicklung bakteriologischer Kriegstechnologie genutzt würden. Ohnehin verstoße eine Finanzierung durch das Verteidigungsministerium gegen den Geist des Abkommens über biologische Waffen, das die Entwicklung, Produktion und Lagerung biologischer Waffen verbietet.

Im September entschied der chilenische Richter Alejandro Solis, daß der britische Journalist Jonathan Moyle Opfer eines Verbrechens sei. Zunächst hatte es geheißen, er habe Selbstmord begangen. Jonathan Moyle, der im März 1990 erhängt in seinem Hotelzimmer in Santiago gefunden worden war, arbeitete seit Jahren als Militärkorrespondent und war sowohl dem Militär als auch der Rüstungsindustrie generell freundlich gesonnnen. Durch die vielen Kontakte, die ihm dadurch offenstanden, war er im Frühjahr 1990 offenbar zu tief in den Dschungel internationaler Waffenhändler geraten, die zu diesem Zeitpunkt Saddam Hussein wieder aufrüsten halfen — trotz des bestehenden Waffenembargos nach dem irakisch-iranischen Krieg.

Jonathan Moyle hatte sich besonders für Bau und Lieferung eines Hubschraubers durch Industrias Cardoen SA interessiert, eine chilenische Firma, die durch den Aufbau heimischer Rüstungsindustrie für Pinochet und durch Lieferungen von Clusterbomben an den Irak während des ersten Golfkriegs reich geworden war. Die Lieferung dieses Hubschraubers an den Irak hätte eindeutig das Waffenembargo verletzt.

Dennoch gibt die Ermordung Jonathan Moyles auch Experten Rätsel auf. Die Liste der Verdächtigen reicht vom israelischen Geheimdienst Mossad über den irakischen Geheimdienst Mukhabarat zur chilenischen Firma „Cardoen“ und schließlich zu einer zumindest vermuteten britischen Beteiligung — denn das Außenministerium hat es an deutlichen Hinweisen auf sein Desinteresse an der Klärung des Falles nicht fehlen lassen.

Der Fall Jonathan Moyle ist in Santiago de Chile von der Staatsanwaltschaft übernommen worden. U.R.