Korruptionsskandale in Spanien

Sozialisten stehen an der Spitze von Finanzskandalen/ Spekulation für einen „guten Zweck“  ■ Aus Madrid Antje Bauer

Skandale haben durchaus ihre Vorteile. In der allgemeinen Empörung werden alte Werte in ihrer Gültigkeit bekräftigt und die Einigkeit der Empörten hergestellt. Problematisch wird es allerdings, wenn, wie zur Zeit in Spanien, die Skandale so schnell aufeinanderfolgen, daß keine Zeit mehr zur kathartischen Reinigung bleibt. Der jüngste Skandal auf seiten der regierenden Sozialisten betrifft den augenblicklichen Gesundheitsminister Julian Garcia Valverde. Im Jahre 1990, als der Gesundheitsminister noch Chef der staatlichen Eisenbahngesellschaft „Renfe“ war, kaufte die Renfe- Tochter Equidesa bei San Sebastian de los Reyes, einem Ort nahe Madrid, neun Grundstücke für 1.350 Millionen Peseten, umgerechnet etwa 22 Millionen Mark, auf.

Aufgrund eines angeblichen Versprechens der Gemeindeverwaltung von San Sebastian de los Reyes, dieses Land zu Bauland zu erklären und damit seinen Wert zu vervielfachen, sollten die Ländereien gewinnbringend weiterverkauft werden. Aus dem Erlös des spekulativen Geschäfts sollte eine Eisenbahnlinie von Madrid nach San Sebastian de los Reyes gebaut werden.

Zwei leitende Angestellte der Renfe haben seit der Aufdeckung des Geschäfts ihren Hut genommen, und im Zusammenhang mit einem Mehrwertsteuerbetrug in Millionenhöhe, den eine beteiligte Firma durch gefälschte Rechnungen versucht hatte, sind inzwischen sechs Personen festgenommen worden. Der jetzige Gesundheitsminister zeigt sich angesichts der Grundstücksspekulation mit öffentlichen Geldern reinen Gewissens: Es sei schließlich für einen guten Zweck gewesen, ließ er verlauten, und wenn die Renfe es nicht getan hätte, hätte eben eine Privatfirma damit spekuliert.

Weniger offensiv gaben sich die Sozialisten beim vorhergehenden Skandal, der erst ein paar Tage zuvor bekanntgeworden war. Nach einer Veröffentlichung der Tageszeitung 'El Mundo‘ hatte die Sparkasse der andalusischen Kleinstadt Ronda der Sozialisten-Partei Kreditschulden in Höhe von rund 6 Millionen Mark erlassen. Während jeder normale Bürger, der seine Schulden nicht tilgt, innerhalb kurzer Frist vor den Kadi gezerrt wird, versuchte die Caja de Ronda nicht einmal, die ausstehenden Gelder einzutreiben. Grund für die ungewöhnliche Freigiebigkeit: Der Vorsitzende der Sparkasse, Braulio Medel, ist selber Mitglied der verschuldeten Partei.

Keine der namhaften Parteien kann sich allerdings glaubhaft entrüsten. In Andalusien gehörte neben der Sozialisten-Partei auch die „Andalusische Partei“ zu den Gläubigern, denen Schulden erlassen wurden, wenn auch in weitaus geringerem Maß. Und die größte spanische Oppositionspartei, die „Volkspartei“, hat genug mit sich selbst zu tun: Der Landespräsident von Kantabrien und Mitglied der Volkspartei Juan Hormaechea hat sich am Dienstag abend geweigert, von seinem Posten zurückzutreten, obwohl er wegen Veruntreuung öffentlicher Gelder vor Gericht gestellt wird.