G-7-Beistandsfall steht kurz bevor

■ Die sowjetische Außenwirtschaftsbank beschränkt Devisentransaktionen/ Deutsche Aktien runter, Dollar rauf/ Untätiges Parlament: Auch Staatsbank vor der vorübergehenden Zahlungsunfähigkeit

Moskau/Berlin (taz/dpa/ap) — Den beiden wichtigsten Sowjetbanken geht derzeit das Geld aus: Unter Devisenmangel leidet die Außenwirtschaftsbank, unter Rubelknappheit die sowjetische Staatsbank. Die Außenwirtschaftsbank, über die die Schuldenrückzahlungen an den Westen läuft, hat angekündigt, bis zum nächsten Dienstag einen Teil ihrer Transaktionen auszusetzen. Und ab nächsten Montag könnte die Staatsbank der Sowjetregierung den Geldhahn zudrehen müssen.

Die Außenwirtschaftsbank, wurde am späten Donnerstag bekannt, werde in den kommenden Tagen keine Devisen-Barauszahlungen an Sowjetbürger mehr vornehmen. Vor allem aber würden für sowjetische Unternehmen und Staatsorgane keine Devisenüberweisungen mehr vorgenommen, für die die Bank keine Garantie übernommen habe. Auch wenn davon der allergrößte Teil der Auslandsverpflichtungen nicht betroffen ist, bedeutet dieser Schritt eine deutliche Verschärfung der Verschuldungskrise; das Inkrafttreten des G-7-Beistandspakets steht unmittelbar bevor. Sollte nämlich bis zum 3. Dezember keine frischen Devisen aus neuen Krediten oder Exporten bei der Bank eingehen, stünde sie kurz vor dem Zusammenbruch, sagte ein Bankvertreter der unabhängigen Nachrichtenagentur 'Interfax‘.

Dies allerdings werden die G-7-Länder nicht zulassen — und die Republiken auch nicht, schlichtweg, weil sie sich vertraglich verpflichtet haben, die Auslandsschulden gemeinsam über die Außenwirtschaftsbank zu bedienen. Und ihre Hoffnungen auf künftige Finanzhilfe aus dem Westen könnten sie im Pleite-Fall begraben.

So deutete das Bundesfinanzministerium am Freitag bereits eine Lösung an: „Deutlich“, so ein Sprecher, würden die G-7 dann auf eine schnelle interne Umverteilung der noch vorhandenen Devisen hinwirken. In einem solchen Fall würde die Außenwirtschaftsbank vorrangig die nicht garantierten Devisenzahlungen übernehmen, dadurch die Pleite vermeiden und entsprechend früher den G-7-Beistandsfall ausrufen. Mengenmäßig dürfte dies kein so großes Problem sein: In Bonn wird der Anteil der gesamten nichtgarantierten Schulden an den Gesamtschulden von etwa 80 Milliarden Dollar sehr grob auf 5 Prozent geschätzt.

Ruft die Außenwirtschaftsbank dann den Beistandsfall aus, wie er in der letzten Woche in Moskau mit den G-7 vereinbart worden war, wird die Bank von den Tilgungen aller mittel- und langfristigen Kredite befreit, die vor dem 1. Januar 1991 abgeschlossen wurden. Die Zinsen sind allerdings pünktlich zu bezahlen. Falls der Tilgungsaufschub nicht ausreicht, kann die Bank maximal eine Milliarde Dollar gegen entsprechende Gold-Sicherheiten erhalten.

Immerhin: Auch wenn die weitere Zahlungsfähigkeit garantiert erscheint, haben einige Börsianer wackelige Knie bekommen, und auch die D-Mark ging geschwächt in das Wochenende. Der Aktienindex DAX sank in Frankkfurt um etwa 1,5 Prozent; der Dollar legte zwei Pfennig auf 1,6318 DM zu. Angeheizt wurde die Stimmung noch durch Nachrichten aus Moskau, nach denen die Außenwirtschaftsbank bereits die ersten Devisenzahlungen verweigert habe - etwa an einen Lufthansa-Beschäftigten. Das sei aber nur ein Informationsproblem, beeilte sich daraufhin ein Bankverantwortlicher zu versichern: Bei der Größe des Apparates hätte einige Mitarbeiter nicht mitbekommen, daß bestimmte Konten nicht betroffen seien.

Ein weiteres schlafloses Wochenende dürften auch die Mitglieder der Sowjetregierung haben: Möglicherweise müssen ab Montag alle Rubel- Zahlungen eingestellt werden — auch die an die Rote Armee. Denn weil zur parlamentarischen Verabschiedung eines Nachtragshaushaltes am Donnerstag nicht genügend Abgeordnete erschienen, mußte die Abstimmung wegen Beschlußunfähigkeit verschoben werden. Mit der Bewilligung — es geht um 90,5 Milliarden Rubel für das vierte Quartal 1991 — sei nicht vor Dienstag zu rechnen, wenn der Unionsrat zu seiner nächsten Sitzung zusammentrete, berichtete 'Interfax‘. diba