„Mainz wie es fällt und kracht“

■ Mit knapper Mehrheit kam durch die Zustimmung von Rheinland-Pfalz und Berlin das heftig kritisierte Beschleunigungsgesetz durch den Bundesrat/ Grünes Licht für „beschleunigten“ Straßenbau im Osten

Berlin (taz) — Das seit Wochen heftig umstrittene Beschleunigungsgesetz ist gestern im Bundesrat mit knapper Mehrheit verabschiedet worden. Neben den CDU-geführten Ländern stimmten Berlin und Rheinland-Pfalz dem Gesetz zu.

Das Gesetz des Bundesverkehrsministers Günther Krause (CDU) sieht vor, „beschleunigt“ und weitflächig alle Verkehrswege in den neuen Bundesländern zu planen und zu bauen. Verkehrsminister Krause kann damit bis Ende 1995 — bei Schienen bis 1999 — die Linienführung von Straßen und Bundeswasserstraßen bestimmen sowie in die Planung von Flughäfen eingreifen. Er gibt zwar nicht genau die Trassen in allen Einzelheiten vor, aber auf jeden Fall die grobe Streckenführung.

Hessens Umweltminister Joschka Fischer (Grüne) warf Rheinland- Pfalz vor, es habe „nach Gesprächen mit der Bundesregierung aus sachungerechten Erwägungen seine Bedenken gegen das Beschleunigungsgesetz zurückgestellt“. Fischer bezweifelte, daß dieses Verhalten dem Ansehen der Politik und von Rheinland-Pfalz zuträglich sei. Rheinland- Pfalz handele offenbar nach der Devise, „Wenn wir etwas bekommen, dann gilt: Mainz wie es fällt und kracht“.

Die Grünen im Landtag Rheinland-Pfalz werfen ihrer Landesregierung vor, durch ihre Zustimmung zum KuK-(Kinkel-und- Krause)-Beschleunigungsgesetz „mit den Interessen von Natur und Menschen in Rheinland-Pfalz Schlitten zu fahren“. Michael Henke bemerkte bissig: „KuK wird in Rheinland-Pfalz jetzt BuS [Brüderle und Scharping] und somit von einem christ-liberalen zu einem sozial-liberalen ,Reformprojekt‘.“

Der hessische Umweltminister kritisierte auch, daß der Bundesverkehrsminister die ausgestreckte Hand der Umweltverbände ausgeschlagen habe, die bereit gewesen seien, bei Verfahren zu einer schnelleren Realisierung von Verkehrswegen mitzuarbeiten. Statt dessen habe er den Verbänden den Krieg erklärt.

Die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn (parteilos) sieht das Grundproblem des Gesetzes vor allem darin, daß „es deutlich die Bürgerbeteiligung und die Berücksichtigung von Umweltinteressen verschlechtert“. Wenige Tage vor der Abstimmung hat Brandenburgs Umweltminister Mathias Platzeck das Planfeststellungsverfahren als den Knackpunkt des Gesetzes angegriffen. Dadurch würden die Rechte der Ostdeutschen ausgehebelt. Die Behörden haben jetzt das Recht, in bestimmten Fällen auf das Planfeststellungsverfahren bei umweltbedeutsamen Vorhaben zu verzichten.

Ein weiterer Schwachpunkt ist die vom Gesetz eingeräumte Möglichkeit des Verzichts auf ein förmliches Raumordnungsverfahren. „Die Umweltverträglichkeitsprüfung verkümmert zum Feigenblatt“, so sein Amtskollege aus Hessen, da sie erst zu einem Zeitpunkt stattfinden solle, zu dem alle Vorfestlegungen bereits getroffen sind. Das sei keine Beschleunigung, sondern eine „Verlängerung der Verfahren in Dekadengröße“, weil die Planungen bei berechtigten Einwänden dann von vorn beginnen müßten.

In einer ersten Stellungnahme wirft Klaus-Dieter Feige, Bundestagsabgeordneter von Bündnis 90/Grüne, der SPD vor, „Kloses ökologische Wende hat sich als Eintagsfliege entpuppt. Statt lauthals den ökologischen Umbau der Industriegesellschaft zu propagieren, sollten die Herren Engholm und Klose erst einmal den eigenen Laden auf Vordermann bringen.“ Feige prognostiziert, daß „die Bürgerinnen der neuen Länder jetzt ihre Rechte auf der Straße wahrnehmen werden“.

Die letzte Hoffnung der Umweltschützer ist nun die EG in Brüssel. Sie könnte dem Beschleunigungsgesetz von Betonminister Krause noch einige Stolpersteine in den Weg legen. Umweltkommissar Carlo Ripa di Meana will dafür sorgen, daß eine von der EG vorgeschriebene Prüfung der Umweltverträglichkeit bei Bauprojekten eingehalten wird. Dem widerspricht entschieden der Parlamentarische Staatssekretär des Bundesverkehrsministeriums Dieter Schulte: „Die EG macht mit.“ Bärbel Petersen