Vertrauensvorschuß für den „guten Menschen von Humboldt“

■ Neben der Stasi-Debatte hat der Fall Fink auch eine hochschulpolitische Dimension/ Der Rektor der Uni stand für die selbstverwaltete Erneuerung

Berlin (taz) — Die Uhr zeigte 11.57, als am Donnerstag ein Bote die offizielle Kündigung des Berliner Wissenschaftssenators Manfred Erhardt (CDU) im Rektorat der Humboldt- Universität übergab. Was Anfang der Woche die Personalkommission der Universität beschlossen hatte, war nun offiziell: Heinrich Fink, Rektor der Humboldt-Universität, war entlassen.

Es klang wie ein letztes Aufbäumen, als Fink am selben Abend gegen 18 Uhr unter dem tosenden Beifall das Audimax der Universität betrat. Zusammen mit den Studenten bekundeten Schriftsteller, Künstler und Politiker ihre Solidarität mit dem entlassenen Rektor — darunter Stefan Heym, Christa Wolf, Christoph Hein und Jens Reich. Gemeinsam ging es ihnen vor allem um die Verfahrensweise, mit der die Entlassung eingeleitet worden war. Erst am Montag war Fink vom Wissenschaftssenator ein Schreiben der Gauck-Behörde überreicht worden, in dem es heißt, der heute 56jährige sei seit 1969 für die Stasi als informeller Mitarbeiter tätig gewesen.

Fink wiederholte auch an diesem Abend, was er seit Tagen erklärt hatte: Er habe nie mit der Stasi zusammengearbeitet. Allerdings habe er als Leiter der Sektion Theologie, der er zehn Jahre lang vorstand, »zwangsläufig« zahlreiche Kontakte mit der Stasi gehabt. Die Stasi, so erklärt er, »war doch ein selbstverständlicher, integraler Bestandteil der DDR — damit haben wir gelebt und mußten wir leben«. Fink sieht sich als ein Mann, der die engen Spielräume der DDR-Gesellschaft nutzte. So habe er durchgesetzt, daß etwa Bausoldaten studieren durften, Theologiestudenten nicht zum Militär mußten und verwahrloste jüdische Friedhöfe wieder gepflegt wurden. Trotzdem bleibt die Frage: Wie weit ließ sich Fink dabei mit dem System ein? Soweit, daß er auch mit der Stasi zusammenarbeitete? Ist bereits seine langjährige Stellung als Regionalvorsitzender der staatsnahen »Christlichen Friedenskonferenz« (CFK) ein Indiz dafür? Fink hat — bis heute — nie einen Hehl daraus gemacht, daß der Sozialismus in der DDR nach 1945 für ihn als Alternative galt.

Trotz nach außen lautstark bekundeter Symphatie tauchen unter den Studenten auch Zweifel auf, will man dem beliebten Rektor vertrauen und weiß doch, daß die Informationen der Gauck-Behörde bisher immer zuverlässig waren. Im Studentenrat heißt es, man wisse nicht, was in 14 Tagen noch so alles herauskomme. Für die Studenten hat der Fall Fink zuallererst eine hochschulpolitische Dimension. Anfang Dezember stehen die Rektoratswahlen an — Fink wollte erneut als Kandidat antreten. Hinzu kommt, daß Fink seit seiner Wahl im Mai 1990 vor allem in der CDU aber auch zahlreichen westlichen Professoren als unbequemer Geist gilt. Er verteidigte nach innen und nach außen die Selbstverwaltung der HUB und stemmte sich gegen die Abwicklung.

Zugleich wurde der »Gute Mensch von Humboldt«, wie ihn viele wegen seiner ausgleichenden Art bezeichnen, auch intern heftig kritisiert. Ihm wurde vorgeworfen, durch sein Festhalten an der Autonomie der HUB zugleich auch jene alten SED-Seilschaften zu decken, die zu DDR-Zeiten den stalinistischen Geist verbreiteten. Severin Weiland