Prometheus im Cabrio!

■ Mythos im Freiraum-Theater: Performance, Installation, Verwandlungen, Collagen

Die Bühne des Freiraum-Theaters trug am Wochenende schwarz, um die Geschichte des Prometheus zu erzählen. Die Farbe der Trauer ist seiner Geschichte angemessen: Er wollte den Göttern gleichen und wurde zum Symbol für Leistung und Fortschritt. Er schuf menschliche Wesen aus Ton, bis Athene ihnen Leben einhauchte. Noch lebten sie in Höhlen und kannten kein Feuer und Licht, bis Prometheus den Göttern das Feuer stahl und es den Menschen reichte. Zur Strafe ließ ihn Zeus an den Kaukasus ketten und seine ewig nachwachsende Leber von den Adlern fressen — doch die Zivilisation hatte begonnen.

Aus der Antike schienen auch die Musikinstrumente zu kommen, auf denen der Musiker Mauro di Girolamo das Geschehen auf der Bühne begleitete. In Mißachtung solch zivilisastorischer Errungenschaften oder Teufeleien wie Tonleitern und Melodieführung erzeugte er saugende Geräusche auf Tonvasen; kniete auf dem Boden, um durch das Aufeinanderschlagen unbearbeiteter Steine urzeitliche Rhythmik wiederzubeleben; bearbeitete Metall mit einer Säge, doch erzeugte durch die dabei entstehenden Geräusche keineswegs den Zorn der Götter.

Denn die wußten, es handelt sich um eine Performanc, und da zählt Ausdruck und Symbolik. Und sie wußten, es handelt sich um Theater zugleich, und um „Metamorphosen“, „Fragmente“ und „Bruchstücke“. Daher bestraften sie an jenem Abend Prometheus nicht, sondern gönnten seinem Darsteller Lüer Mehrtens Applaus für alles, was er vollbrachte: Bewegungen in Zeitlupe von akrobatischer Qualität, die Verzweifelung widerspiegelnd in Gestik und Wort, in Rezitationen über seine Hybris und Blasphemie. Standbilder, in ihrer Nacktheit den Göttern würdig, die ein Leben nacherzählen, nicht von damals, sondern heute. Auf Dias eingeblendet wurde die Comic-Bilderreihe eines Raumfahrers, der einer nicht technisierten Zivilisation auf dem Mond mit einem fliegenden Auto der dreißiger Jahre entschwindet. Prometheus erscheint im Kostüm eines Cabriolet-Fahrers mit Sturmhaube, als grauer Mann mit Helm und Regenschirm oder nackt im Regen stehend.

Ein Bühnen-Cocktail für die Götter

Die Ebenen verschwimmen auf einer Bühne, die aussieht, als habe ein Gestalttherapeut seine Wundertüte darauf ausgeschüttet. Die Bühneninstallationen Astrid Müllers sind sind verstreute Holz- und Steinelemente, zusammensteckbar wie ein Mobilbaukasten. Prometheus widersteht der spielerischen Versuchung nicht, konstuiert aus ihnen neue Gene, einen neuen Menschen, nicht mehr aus Ton, sondern mit den Mitteln der Technologie. Und die Götter empören sich nicht und sehen nicht nieder, fühlen sich nicht gestört.

Denn: es gibt sie nicht, und Sinnbilder lassen sich überfrachten und nicht auf alles übertragen. Auch wenn die Regie Lambert Blums aus „Abbruchkanten“, „Verwandlungen“ und „Bildern“, aus „Collagen“ und tatsächlich ein wenig „Theater“ einen Cocktail bereitete, der einen Performance-Liebhaber unter den Göttern sicher begeistert hätte. Prost. roth