Wirtschaftsentwicklung mit Hemmnissen

■ SPD-Tagung zum Wirtschaftsstandort »Berlin 2000«/ Grundstückspreise und -politik hemmen den Aufschwung/ Alle hoffen auf den Regierungssitz/ Industrie hat keine Chancen in der Stadt

Berlin. Die Perspektiven der Berliner Wirtschaft sehen eigentlich recht gut aus, glaubt man den Prognosen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Dessen Präsident Lutz Hoffmann sagte bis 1995 eine jährliche Steigerung des Bruttoinlandsprodukts von vier Prozent im Westen und von deutlich mehr als zehn Prozent im Osten Berlins voraus. Das Arbeitsvolumen werde deutlich anwachsen. Im Ostteil werde die Erwerbstätigenzahl zwar geringer sein als heute, dafür aber im Westteil um durchschnittlich zwei Prozent steigen. Doch die Spitzenvertreter der Berliner Wirtschaft, die am Freitag und Samstag im Reichstag über die wirtschaftlichen Perspektiven der Stadt sinnierten, mochten der optimistischen Vision ihres obersten Propheten nicht so recht folgen. Die SPD-Fraktion hatte zu einer Synopse unter dem Titel »Berlin 2000« geladen, weil sie, so Fraktionschef Ditmar Staffelt, ihre Mandatsträger breiter in den Diskussionsprozeß mit einbeziehen will.

Statt der goldenen Zukunft bekamen die zunächst nur Probleme vorgetragen. Seit Öffnung der Mauer hat noch keine Firma ihren Sitz in die neue Hauptstadt verlegt, und es gebe, so stellte der Geschäftsleiter der Deutschen Bank, Kurt Kasch, gleich zu Beginn des Kongresses fest, keinen zwingenden ökonomischen Grund, industriell in der Stadt zu investieren. Auch sein Kollege vom Vorstand der Grundkreditbank, Axel Kreitz, machte bei den Investitionen »deutliche Hemmnisse« aus. An erster Stelle nannte er, und darin stimmten alle Referenten mit ihm überein, die Eigentumsfrage, die »im Einigungsvertrag nicht so glücklich geregelt« sei. Immerhin gibt es in Osten Berlins kein Grundstück, bei dessen Erwerb nicht jahrelange Rechtsstreitigkeiten drohen.

Das Hemmnis Nummer zwei ortete Kreitz im ehemaligen Haus der Ministerien. Es gebe eine Reihe von Stellen bei der Treuhand, die »sehr unbeweglich seien«, das Megaunternehmen lasse keine Strategie erkennen. Wirtschaftssenator Norbert Meisner monierte, daß die Kombinate und Betriebe der ehemaligen DDR häufig en bloc verkauft würden. Dies würde, wie bei der Interhotelkette, zur Bildung von Quasi-Monopolen führen, mit Rückwirkungen auf den Markt im Westteil der Stadt. Treuhandchefin Birgit Breuel verteidigte die Verkaufspolitik ihres Hauses kurz und bündig. Diese entspräche dem gesetzlichen Auftrag, für weitergehende Struktur- und Sozialpolitik seien die Länder zuständig.

Hoffnung setzten alle Wirtschaftsvertreter in die baldige Bildung eines gemeinsamen Landes Berlin-Brandenburg. Diese sei notwendig, um zu einer abgestimmten Ansiedlungspolitik und Wirtschaftsförderung zu kommen. In den Kreisen um Berlin ortete man auch die zukünftigen Areale der Berliner Industrie, denn Standorte in der Stadt, so befand Dietrich Beier von der Berliner Bank, seien wegen der hohen Bodenrente zu unwirtschaftlich. Auch andere Wirtschaftsvertreter gaben dem Industriestandort Berlin kaum eine Überlebenschance. Demgegenüber setzte sich Arbeitssenatorin Christine Bergmann für den Erhalt der Industriebetriebe Ost-Berlins ein. Sie habe zwar kein fertiges Konzept, doch müsse man hier subventionieren. In diesem Ansinnen wurde sie von der DGB-Vorsitzenden Christiane Bretz unterstützt, die sich die Abwanderung von Zehntausenden industrieller Arbeitspätze aus der Stadt nicht vorstellen mochte.

Noch mehr als die Vereinigung des Landes mit Brandenburg sehnt die Berliner Wirtschaft die Verlagerung des Regierungs- und Parlamentssitzes an die Spree herbei. Auch wenn er dafür keine kalkulierbaren ökonomischen Gründe benennen konnte, stand für den Sprecher des Vorstandes der Berliner Bank, Wolfgang Steinriede, fest, daß viele Investoren entmutigt würden, sollte der Umzug erst in zehn Jahren stattfinden. Auch Kreitz sah darin ein erstrangiges Investitionshemmnis. Joachim Putzmann vom Siemens- Vorstand fand gar, daß letztlich »uns nur die Anziehungskraft Berlins als Hauptstadt« helfen werde. Für soviel Hoffen gab Frau Bretz die einzig sinnvolle Erklärung. Wirtschaftspolitik, so befand die DGB-Vorsitzende, sei zu 50 Prozent Psychologie. Dr