Notizen aus der Provinz

■ Abendschau extra, Sa., 19 Uhr, ARD

Zum 10.000sten Mal gab es die Berliner Abendschau. Herzlichen Glückwunsch! Wer immer artig ist und niemandem weh tut, kann also alt werden. Wenn es im Fernsehen länger als 33 Jahre ein Stadtmagazin gibt, dann ist das ein vortrefflicher Grund zum Feiern. Da durfte man weitaus mehr erwarten, als das Laubenpieper-Niveau, das in den beiden Feier-Blöcken von je 25 Minuten geboten wurde. Der Blick hinter die Abendschau-Kulissen war nur durch Cherno Jobatays witzigen Text erträglich, die ZuschauerInnenbefragung mit Allgemeinplätze-Antworten wenig informierend, und als Katja Ebstein etwas „richtig Berlinisches“ sang, wurde der Niveaulosigkeit ein Denkmal gesetzt.

Solch ein Jubiläum muß der Anlaß zu einem rauschenden Fest sein. Doch erst am Ende der Sendung fiel eine Handvoll Luftballons von der Decke des Studios C. Ansonsten beherrschte sterile Talk-Show-Atmosphäre die Live-Übertragung. Gerade die Abendschau, die stets vom „Wir Berliner“-Gefühl zu profitieren sucht, konnte hier weder Lokalkolorit noch Lokalgrößen präsentieren. Da reicht es nicht aus, Grilldame Brigitte Grothum, Berufsberliner Wolfgang Gruner und Ezard Haußmann (woher muß man den kennen?) ein Gedicht vortragen zu lassen, das bestenfalls auf einem Betriebsfest mit fünf MitarbeiterInnen seinen angemessenen Platz fände. Die Abendschau feierte, wie sie Fernsehen macht: phantasielos und provinziell. Wie sagte der Regierende Eberhard Diepgen doch so treffend: „Weil alles festgefügt ist und eine gewisse Popularität hat.“ Die Betonung liegt auf „gewisse“.

Welche positiven Möglichkeiten in einer gesunden Selbstironie gesteckt hätten, wurde deutlich, als man sich über das SFB-typische Intendanten-Karussell amüsierte. Höhepunkt der Sendung war dann auch, als Hans-Werner Kock die Entstehungsgeschichte seines wunderbaren Ritualausspruchs „Macht's jut, Nachbarn“ erzählte.

Dem Anlaß entsprechend, bot der eingeschobene Nachrichtenteil ein Potpourrie der Sprecherinnen. Die Information, daß immer mehr uneheliche Kinder geboren werden, wirkte in diesem Rahmen fast satirisch. Der abgerissene Arm eines jugendlichen U-Bahn-Surfers wollte dann nicht so recht in die Sendung hineinpassen...

Das Jubiläums-Komitee der Abendschau präsentierte sein Fest in Bescheidenheit, so wie es das auch mit seinen Magazin-Sendungen hält. Aber beides, Feier und Information, haben mehr Mut verdient. Gerade jetzt, da der Fortbestand der Abendschau ungewiß ist, kann der Angriff mehr sein als nur Verteidigung.

Wie das bei Jubiläen so ist, wurde dem Team alles Gute für die nächsten 10.000 Sendungen gewünscht. Sollte die dann fällige Party wieder so trostlos ausfallen, werde ich mir jene zur 20.000sten ersparen. Achim Becker