Rechtsradikale Krawalle in Schweden

Ausländerfeindliche Veranstaltungen in mehreren Städten/ Krawalle in Stockholm und Lund/ Polizei erschießt Skinhead in Malmö/ GegendemonstrantInnen: „Wir wollen kein Deutschland werden“  ■ Von Reinhard Wolff

Stockholm (taz) — In der Nacht zum Sonntag ist es in Stockholm und Lund zu schweren Krawallen gekommen, deren Auslöser rechtsradikale Kundgebungen waren. In Stockholm, wo die Polizei einen Demonstrationszug der faschistischen und ausländerfeindlichen „Sverigepartiet“ („Schwedenpartei“) verboten hatte, kam es zu Straßenschlachten zwischen berittener Polizei und Skinheads, etwa 100 Personen wurden verhaftet. In Malmö wurde unter noch nicht ganz geklärten Umständen bereits Freitag nacht ein Skinhead von zwei Polizisten in Zivil durch einen Kopfschuß getötet, obwohl die Polizisten —sie fühlten sich von einer Gruppe Skinheads bedroht — lediglich Warnschüsse abgegeben haben wollen. Ein weiterer Skinhead wurde angeschossen.

Verletzte DemonstrantInnen und Polizisten wurden auch aus anderen Städten des Landes gemeldet. In Südschweden war ein Zentrum der rechtsradikalen Aktivitäten die Universitätsstadt Lund. Hier verhaftete die Polizei 65 Personen. GegnerInnen der ausländerfeindlichen Kundgebung hatten hier längs des Demonstrationszugs der Rechtsradikalen Barrikaden errichtet. Sie hatten hierbei tatkräftige Unterstützung von AktivistInnen aus der Hausbesetzerszene erhalten, die aus Kopenhagen angereist waren. Am frühen Sonntag morgen räumte die Polizei die Barrikaden.

Der 30.November hat sich in den vergangenen Jahren immer mehr zu einem traditonellen Kundgebungs- und Krawalltag der verschiedenen Gruppen der rechtsradikalen Szene entwickelt. An diesem Tag begingen früher AnhängerInnen der Monarchie feierlich den Todestag von König Karl XII., der Anfang des 18.Jahrhunderts mit Eroberungszügen nach Dänemark, Polen und Rußland Schweden zum ersten — und letzten — Mal zu einer europäischen „Großmacht“-Stellung verholfen. Seither gilt er bei Rechtsradikalen als Kultfigur für großschwedische Träume. Seit zwei Jahren versuchen GegendemonstrantInnen den Kundgebungsteilnehmern am Todestag nicht mehr allein die Straße zu überlassen. In Stockholm standen daher am Samstagabend etwa 500 AnhängerInnen der „Sverigepartiet“ und einige hundert Skinheads rund 5.000 GegendemonstrantInnen gegenüber. Etwa 400 Polizisten versuchten vergeblich Zusammenstöße zu verhindern. Anlaß für die verstärkte Teilnahme an den Gegendemonstrationen sind die in den vergangenen Monaten auch in Schweden stark angestiegenen ausländerfeindlichen Aktivitäten. „Wir wollen kein Deutschland werden!“ — war auf Transparenten in Stockholm zu lesen. In den letzten Wochen gab es mehrere Brand- und einen Bombenanschlag auf Ausländerunterkünfte. Die Polizei in Stockholm jagt einen Todesschützen, der offenbar mit einen Präzisionsgewehr fünf Ausländer erschossen hat — unter offenem Beifall von rechtsaußen. Dabei ist Schweden derzeit nahezu das einzige europäische Land, das aufgrund der restriktiven Asylpolitik zurückgehende Flüchtlingszahlen meldet.