INTERVIEW
: Kein Fall für die Justiz

■ Wolfgang Wieland zur strafrechtlichen Aufarbeitung der DDR

taz: Vor Rachebestrebungen in den östlichen Bundesländer hat hier auf Alternativen JuristInnentag Friedrich Schorlemmer gewarnt. Der RAV geht noch weiter, er ist gegen eine strafrechtliche Aufarbeitung des staatlichen Unrechts in DDR.

Wolfgang Wieland: Wir halten eine sogenannte Aufarbeitung der DDR- Vergangenheit durch Strafverfahren werder für geboten noch für möglich. Für nicht geboten, weil der Sinn unseres Strafverfahrens die Resozialisierung des straffällig gewordenen Menschens ist. Eine Resozialisierung ist weder bei den Mauerschützen nötig — die Mauer steht nicht mehr, sie werden dort nicht mehr schießen. Noch ist sie nötig bei Erich Mielke noch bei Erich Honnecker, diese beiden Rentner sind nicht mehr in der Lage Menschenrechtsverletzungen zu begehen. Das ist sicher unbefriedigend, vor allem für die Bürger der ehemaligen DDR...

Es sind auch die Opfer die jetzt Gerechtigkeit verlangen und Verbrechen bestraft sehen wollen.

Die Opfer müssen schnell und ernsthaft rehabilitiert und auch hinreichend, also mehr als bisher vorgesehen, entschädigt werden.

Sie müssen außerdem sicher sein, daß Täter nicht in Positionen des öffentlichen Dienstes bleiben, aus denen heraus sie ihre Opfer weiter drangsalieren können. Aber das Strafrecht kann nach allen Erfahrungen nicht die Aufarbeitung von historischen Vorgängen leisten, die sich die Opfer vorstellen. Das zeigt auch gerade der sogeannte Mauerschützenprozeß. Man hat die Schützen, die man leicht ermitteln konnte als erste vor Gericht gestellt, auf die weiteren dann an sich notwendigen Schritte aber verzichtet: Die Vorgesetzten, ihre Ausbilder und auch etwa die Volkskammerabgeordneten, die das Grenzgesetz gemacht haben, sind nicht zur Verantwortung gezogen worden.

An diese weiteren Schritte denkt die Justiz nicht, und sie würde es auch nicht leisten können, selbst wenn der gesamte Personalbestand der alten Bundesländer dafür eingesetzt werden würde. Auch die Opfer kann es nicht befriedigen, daß Herr Egon Krenz sich nunmehr zum Kapitalisten ausbilden lassen kann und der eingezogene Rekrut auf der Anklagebank sitzt.

Frau Limbach will dem Staatsunrecht der DDR durch Strafverfahren, den „Stempel des Unwerten“ aufdrücken und damit eine Zeichen gegen die Wiederholung solchen Unrechts setzen.

Das kann auch durch eine Tribunal, an dem sich Täter und Opfer beteiligen erreicht. Außerdem gibt keine Widerholungsgefahr, weil sich Geschichte nicht wiederholt. Die DDR ist untergegangen und wird nie als Kopie des Orginales wiederauferstehen. Niemand mehr in Deutschland sagt, die Schüsse an der Mauer waren in Ordnung. Jürgen Voges