Die große Rochade im Bremer Senat

Der ehemalige Finanzsenator Claus Grobecker will nicht mehr/ Neben der „großen Unbekannten“, der Kasseler Sozialpolitikerin Irmgard Gaertner, sitzen nur die alten Gesichter auf der SPD-Bank  ■ Aus Bremen Klaus Wolschner

Mit zwei Überraschungen wartete die Bremer SPD-Spitze am Sonnabend bei der Vorstellung ihrer Senatoren-Vorschläge für die Ampel- Koalition auf: Der bisherige Finanzsenator Claus Grobecker scheidet aus dem Kabinett aus, für das Sozialressort soll die 61 Jahre alte Sozialexpertin Irmgard Gaertner aus Kassel nach Bremen kommen. Auf den sechs Regierungsposten, die der SPD nach ihrer verheerenden Wahlniederlage am 29. September verbleiben, rotieren ansonsten ehemalige SenatorInnen.

Grobecker, wegen seines manchmal schwierigen Politikstils bei den Grünen als „Finanz-Grobi“ etikettiert, war nicht Mitglied der Verhandlungskommission geworden und hatte die Parteiengespräche mit Finanzpapieren bis zur letzten Minute belastet. Er hatte am Freitag in Bonn noch einen Erfolg für Bremen erreichen können: Mit Zweidrittelmehrheit beschloß die Ländervertretung, die Pläne zu einer Verringerung der Zahl der Landeszentralbanken (LZB) abzulehnen. Grobecker selbst werden Ambitionen auf den gutdotierten Bremer LZB-Posten, der demnächst neu zu besetzen wäre, nachgesagt.

Am Freitag abend flogen dann beim Vier-Augen-Gespräch im Rathaus die Fetzen. Atmosphärisch hatte es zwischen dem „letzten Charakterkopf“ aus der „Ära Koschnick“ und dem neuen, fleißigen Klaus Wedemeier immer Unstimmigkeiten gegeben. Aus Grobeckers Umgebung verlautet zudem, Wedemeier habe seinen Finanzsenator auf die volle Legislaturperiode verpflichten wollen. Nach lautstarkem Wortwechsel verließ Grobecker, seit 1985 Bremer Finanzsenator, dann das Rathaus.

Völlig überrascht und mit betretenen Gesichtern trat der SPD-Landesvorstand am Freitag abend gegen 20 Uhr zusammen, ohne neue Namen wollte der Regierungschef am Samstag nicht vor die Presse. Ergebnis der langen Nachtsitzung war eine große Rochade: Die bisherigen Ressortchefs für Soziales und Justiz, Sabine Uhl und Volker Kröning, waren am Freitag noch darüber informiert worden, daß sie nicht mehr nominiert werden würden. Für das Justiz- Ressort war sogar Elke Leonhard, MdB in Bonn, angesprochen worden. Nachts um drei standen die beiden Bremer mit neuen Ressorts dann doch auf der Liste: Uhl soll das kleine Arbeitsressort und das neue, finanziell kaum abgesicherte Frauenressort übernehmen, Kröning das überraschend verwaiste Finanzressort. Der als Sozialpolitiker überregional bekannte Henning Scherf, der nach der letzten Bremer Regierungsumbildung auf Bildung/Wissenschaft/ Kultur gesetzt worden war, mußte Kultur an die Grünen abgeben und soll nun die Verwaltung des Justizressorts mit übernehmen.

Die Bremer Umweltsenatorin Eva-Maria Lemke-Schulte wird einen neuen zweiten Anlauf als Bausenatorin nehmen, diesmal aber ohne das Umweltressort und die Stadtplanungs-Kompetenzen, die die Grünen für Ralf Fücks herausgehandelt hatten.

Bremerhavens SPD-Unterbezirks-Vorsitzender Uwe Beckmeyer — gegen ausdrücklichen Beschluß spielte ein gewisser Regionalproporz neben der Frauenquote bei der Bremer Regierungsbildung doch eine entscheidende Rolle — wurde im Wirtschaftsressort von Claus Jäger (FDP) verdrängt und mit dem Häfenressort und dem Amt für Bundesangelegenheiten abgefunden.

Gegen 22 Uhr war die große Unbekannte beim SPD-Parteibüro vorgefahren worden, über die es die Tage vorher nur Spekulationen gab: Irmgard Gaertner, 61jährige Sozialpolitikerin aus Kassel, Direktorin des hessischen Landeswohlfahrtsverbandes (LWV). Die resolute Frau hat in ihrem Fachbereich mehrfach für sozialpolitische Unruhe gesorgt. Angeregt von ihrem Mann, dem aus Bremen stammenden Sozialpolitiker Otto Fichtner, hatte Irmgard Gaertner sich schon früher einmal an der Weser nach einer Wohnung umgesehen.

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