No Sex outside the bedroom

■ Benefiz-Veranstaltung für die Gruppe »Out of Lunch« im SchwuZ

Who in this room has ever had sex in his life?« Obwohl ein SchwuZ-Publikum eine gewisse Aufgeschlossenheit in erotischen Themen erwarten ließe, gehen nur vereinzelt Finger in die Luft. »I'll note that under several«, kommentiert die Assistentin unbekümmert ihre Notizen für die Statistik. Bei »who has had sex today?« findet sich nurmehr eine tapfere Bekennerstimme und »Sex outside the bedroom« scheint in diesen Breitengraden eine unbekannte Sexualpraktik zu sein.

Dem großen Herrn im Anzug — als männlichem Hetero on stage stünde ihm heute abend Minderheitenstatus zu — ist nun heiß geworden. Simon Newby-Koschwitz legt das Jackett ab und verwandelt sich flugs in eine Dame, die ihren Lebensunterhalt mit Telefonsex bestreitet. Da klingelt auch schon das Telefon, doch vor dem ohralen gehört der Bankverkehr geregelt, und angesichts der Visacard des Kunden entfleuchen ihrer Kehle die ersten lustvollen Jauchzer.

Die Dame an der Strippe hat aber ein zweites Ich, dem dieser Broterwerb ein ausgeprochen ambivalentes Vergnügen ist. Mit Grabesmiene sitzt Joy Cutler zu Füßen ihres äußeren Egos und versieht dessen Avancen mit geschäftsschädigenden Kommentaren. Joy ist schlichtweg genervt, und ihre Belastbarkeit im Erfinden zotiger Platitüden scheint einigermaßen ausgereizt, als der Kunde zur Ejakulatio praecox ansetzt und sie aus ihrem Martyrium erlöst.

Soviele Amis auf der Bühne gibt es sonst nur in Amerika. Da wird gerapt, gedichtet, gesungen und munter das Geschlecht gewechselt. Anlaß dieses Berlin-amerikanischen Joint-Venture sind die Kopfschmerzen von Ramona. Weder der Senator für kulturelle Angelegenheiten noch die Künstlersozialförderung bewiesen Herz für die Pein dieser Dame, und so mußten die Freunde aus Amerika antreten, um »Ramona's Headache« von Joy Cutler in die Startlöcher zu helfen. Der Erlös der Benefizveranstaltungen vom 28. und 29. 11. im SchwuZ kommt der Gruppe »Out to Lunch« um Joy zugute. Bis zur Uraufführung dieser Low-Bugdetproduktion bei den »Freunden der Italienischen Oper« verbleiben nur noch drei Wochen. Mit von der Partie an diesem Abend sind neben Out to Lunch die Berlin Playactors, die stimmgewaltige Poetin Priscilla B, die New Yorker Performancekünstlerin Lindy Annis, Brigitte Markland als glatzköpfiger Aktionär und andere.

Die besondere Spannung der Vorstellung, die in dieser Konstellation kein zweites Mal einen nächtlichen Theatersaal füllen wird, ist ansteckend. Die Stimmung ist familiär, das Publikum generös — man geizt nicht mit Lachern und Applaus. Leider fällt die zweite Hälfte des Programms deutlich ab. Eine zweifelhafte Einleitung durch einen Künstler, der zwar mit amerikanisch- schwulem Selbstbewußtsein zu brillieren weiß, dessen Ode an »mother earth« aber ausgesprochen langatmig und moralisierend ausfällt, wirkt als Stimmungskiller. Man wiederholt sich.

Zu offensichtlich gerät die Veranstaltung jetzt zur Werbetrommel der diversen Dezemberproduktionen. Selbst die professionelle Verwandlungsnummer von Rik Maverik schafft nicht mehr den Durchbruch zur trägen Masse Zuschauer, die bereits auf Abschalten gestellt hat.

Zu erwähnen bliebe da noch das reizende Fräulein Debbie, das mit gut entwickelten Fußballerwaden über Pfennigabsätzen zu schweben wußte. Sich lustvoll in zu engen Röcken quälend, oblag ihr die Moderation des Abends, einer Aufgabe, der sie mit entwaffnender Naivität Herr wurde. Han

Ramona's Headache, 20.30 Uhr bis 5. Januar Do-So; am 24.12. Weihnachtsspezial