Der gewalttätige Mann hat keine Wohnungssorgen

■ Während in Frauenhäusern drangvolle Enge herrscht, können gewälttätige Ehemänner meist die gemeinsame Wohnung behalten / ExpertInnen stritten bei einer Anhörung über den Gesetzestext zur Wohnungszuweisung

Berlin. Die Wohnsituation in den Berliner Frauenhäusern ist katastrophal: Mehrere mißhandelte Frauen und Mütter mit ihren Kindern müssen sich ein Zimmer teilen, Notfälle können oftmals nicht aufgenommen werden. Aufgrund der zunehmenden Wohnungsnot sind die Chancen für alleinstehende Frauen mit Kindern aussichtsloser denn je, eine neue Bleibe zu finden. Unterdessen hockt der gewalttätige Ehepartner allein in der ehemals gemeinsamen Wohnung und bekommt bei seiner Unterhaltszahlung oftmals sogar noch den Mietanteil der Frau angerechnet.

Die einzige Möglichkeit für mißhandelte Frauen, die gemeinsame Ehewohnung zugesprochen zu bekommen, ist, beim Familiengericht einen Antrag nach Paragraph 1361b BGB zu stellen. Das Gesetz sieht vor, daß die Ehewohnung vorläufig einem der beiden Ehegatten ganz oder zum Teil zur alleinigen Nutzung zugewiesen werden kann, soweit dies zur Vermeidung einer schweren Härte notwendig ist. In Berlin wird der Paragraph 1361b jedoch nur selten angewandt. Das ist das Fazit einer Anhörung der Senatsverwaltung für Frauen und Arbeit, an der am vergangenen Donnerstag zwölf Expertinnen und Experten, darunter Berliner FamilienrichterInnen und RechtsanwältInnen, MitarbeiterInnen der Frauenhäuser und Rechtsprofessoren teilnahmen.

Die im Einladungstext aufgestellte These der Senatsverwaltung, mißhandelte Frauen bekämen die eheliche Wohnung »nur in seltenen Ausnahmefällen« zur alleinigen Nutzung zugesprochen, wurde durch die Anhörung allerdings nicht bestätigt. Vielmehr zeigte sich, daß sich nur ganz wenige mißhandelte Frauen trauen, einen solchen Antrag zu stellen. So berichtete eine Mitarbeiterin des Caritas-Frauenhauses, daß dort im vergangenen Jahr nur acht von 200 Frauen die gemeinsame Wohnung für sich gefordert hätten. Sieben der Antragstellerinnen sei diese daraufhin auch zugewiesen worden.

Daß nur so wenig mißhandelte Frauen um die alte Wohnung kämpfen, liegt oft daran, daß sie aufgrund der schlimmen Erinnerungen nur ungern dorthin zurückkehren wollen. Vor allem wäre dann ihr weiterer Aufenthalt auch den mißhandelnden Ehemännern bekannt. Im Gegensatz zu Kalifornien gibt es in Deutschland kein Gesetz, das den gewalttätigen Männern verbietet, in die ehemalige Wohnung oder auch nur in deren Nähe zurückzukehren. Zudem haben viele Frauen Angst vor einem Rechtsstreit mit dem Partner sowie vor einer Ablehnung des Gerichts. Die Mitbegründerin des 1. Autonomen Frauenhauses, Barbara Umsen, forderte deshalb, den Paragraphen 1361b so abzuändern, daß der »Mißhandler« die Wohnung in jedem Fall verlassen müsse. Es sei ein Unding, daß manche Richter meinten, die Frau müsse sich die Räume mit dem gewalttätigen Partner teilen. »Der Mann kann sehr wohl in eine Wohnunterkunft.« Ferner forderte Umsen eine Umkehr der Beweislast. Nicht die Frau solle belegen, daß sie mißhandelt worden sei, sondern der Mann müsse beweisen, daß keine Wiederholungsgefahr bestünde. Bei ärztlichen Kunstfehlern und sexueller Belästigung am Arbeitsplatz sei die Umkehr der Beweislast bereits Usus. Der Richter am Kammergericht Wolfram Becker und die Familienrichterin Uta Ehlinger zogen sich den Zorn der Zuhörerinnen zu, als sie sich wegen Mißbrauchsgefahr gegen eine automatische Zuweisung der Wohnung an die Frau aussprachen. Schließlich, so Becker, könne die Frau ihren Mann auch provoziert haben, gewalttätig zu werden. Von sich selbst behaupteten Ehlinger und Becker, sie hätten den Frauen immer das alleinige Nutzungsrecht für die Wohnung zugesprochen, wenn sie nachweislich mißhandelt worden seien. Dies wurde von Rechtsanwältin Alexandra Goy bestätigt: »Die beiden Richter tun, was sie können.« Nicht der 1361b sei das Problem, meinten die Richter, sondern daß nur so wenig Anträge gestellt würden.

Barbara Umsen und ihre Mitstreiterinnen blieben dennoch bei der Forderung nach einer Gesetzesnovelle. Selbst wenn nur wenige Anträge abgelehnt würden, so Umsen, »ist jedes Mal ein Mal zuviel«. Als Bespiel führte sie einen Fall an, in dem die Frau »von oben bis unten blaugeschlagen« vor dem Richter gesessen habe. Trotzdem hätte dieser entschieden, daß sich Frau und »Mißhandler« die 52 Quadratmeter große Wohnung teilen müßten. Plutonia Plarre