KOMMENTARE
: LIS — Die Partei der Zukunft?

■ In Frankfurt am Main wurde erstmals ein Ausländerparlament gewählt

Aus den am vergangenen Sonntag in Frankfurt stattgefundenen Wahlen zur Kommunalen Ausländervertretung ist die Liste internationaler Sozialdemokraten (LIS) mit knapp 13 Prozent der Stimmen als stärkste Partei hervorgegangen. Sechs von 51 Abgeordneten werden nun für die LIS im Frankfurter Ausländerparlament sitzen, dessen Konstituierung einen Einschnitt in der bundesdeutschen Ausländerpolitik darstellt. Der deutlich gewachsene Einfluß, den man in Frankfurt diesem Ausländerparlament zugesteht, ist denn auch nur der erste große Schritt in Richtung kommunales Wahlrecht.

Die magere Wahlbeteiligung von knapp 20 Prozent spielt da eine untergeordnete Rolle. Dabei zeichnen sich die Vertreter der LIS dadurch aus, daß sie aus fast allen Ländern des Abend- und Morgenlandes kommen. Daß indes gut ein Viertel der Frankfurter Bevölkerung ausländischer Herkunft und damit wahlberechtigt ist, scheint — ungeachtet der lobenswerten Anstrengungen des Frankfurter Magistrats und dessen Stadtrat Dany Cohn-Bendit — in weiten Kreisen noch immer nebensächlich zu sein. Solange Millionen von ausländischen Bundesbürgern das allgemeine Wahlrecht vorenthalten wird, werden sie auch von wohlmeinenden deutschen Stammesgenossen als politische Quantité négligeable übergangen. Doch das wird sich ändern müssen, wollen die Länder Europas die ökonomischen und sozialen Konflikte meistern, mit denen sie in zunehmendem Maße konfrontiert sind. Diese Erkenntnis haben aufgeklärte Emigranten den meisten Deutschen längst voraus. Auch deshalb haben sich bei den ersten Wahlen für ein Frankfurter Ausländerparlament weit über 20 verschiedene Gruppierungen mit dem erklärten Ziel der Erlangung gleicher Bürgerrechte zur Wahl gestellt. Natürlich fehlen die nationalistischen Listen ebensowenig wie diverse rechts- und linksextremistische Verbindungen, die aber keinen Erfolg verbuchen konnten. Man muß kein Anhänger der bundesdeutschen Sozialdemokratie sein, um sich zu freuen, daß die Liste der internationalen Sozialdemokraten aus dieser Wahl als Sieger hervorgegangen ist. Denn die Etablierung der LIS kündet etwas Zukunftsträchtiges an, das Deutsche nicht teilnahmslos zur Kenntnis nehmen, sondern aktiv unterstützen sollten. Hier haben sich hochmotivierte Leute ungeachtet aller kulturellen und religiösen Unterschiede zusammengefunden, um einer universalistischen Programmatik (Menschen- und Bürgerrechte, individuelle Freiheit und soziale Gerechtigkeit) den Vorzug vor allen nationalistischen und ideologischen Partikularinteressen zu geben. Es ist dieser weitsichtige Anspruch, der der neuen Partei den modernen Charakter verleiht.

Die Reaktionen von Deutschen und Ausländern auf die selbstbewußten Sozialdemokraten sind stereotyp: Die radikale Rechte denunziert sie in alter Manier als Kommunisten, während die radikale Linke laut „Klassenfeind und Verrat!“ schreit. Freilich gerät die neue Gruppierung auch unweigerlich in Konflikt mit einer provinziellen Stammtischmentalität, wie sie in weiten und höchsten Teilen der SPD anzutreffen ist. Es spricht für die Frankfurter Parteispitze, sich ohne Wenn und Aber für eine Unterstützung der LIS starkgemacht zu haben. Der unattraktiven Bundes-SPD kann nur geraten werden, mit einer ähnlich offensiven Haltung der xenophobischen Angstpolitik energischer Paroli zu bieten und ihre Tore (und Posten) für Ausländer weiter als bislang zu öffnen. Benny Peiser