Ende der Geiselaffäre in Sicht

■ US-Bürger Cicippio in Beirut freigelassen/ Steen und Anderson angeblich noch diese Woche auf freiem Fuß/ Polaroid-Fotos von deutschen Geiseln/ Perez bestätigt Übereinkunft mit Entführern

Beirut (afp) — Im Libanon zeichnet sich ein Ende der Geiselaffäre ab. Der US-Bürger Joseph Cicippio wurde am Montag dank der Vermittlung der Vereinten Nationen nach 1907 Tagen Gefangenschaft freigelassen. Der 61jährige traf am Mittag in der syrischen Hauptstadt Damaskus ein. Bis Ende der Woche sollen ihm seine beiden Landsleute Terry Anderson und Alan Steen folgen. Unklar ist, wann die beiden deutschen Geiseln in Libanon, Thomas Kemptner und Heinrich Strübig, freikommen. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sind die beiden deutschen Entwicklungshelfer in die UN-Bemühungen voll einbezogen.

Die schiitische Gruppe „Organisation für Revolutionäre Gerechtigkeit“ (ORG) hatte am Sonntag erklärt, es sei ein umfassendes Abkommen über die Freilassung der westlichen Geiseln in Libanon und der arabischen Gefangenen in Israel und anderswo erzielt worden. Daraufhin zeigte sich Israel bereit, für die Rückkehr seiner sechs in Libanon verschwundenen Soldaten alle libanesischen Gefangenen zu entlassen.

In der Nacht zum Montag war die Ankündigung der bevorstehenden Freilassung Cicippios mit einer Videokassette bei einer westlichen Nachrichtenagentur in Beirut eingegangen. In dem zweiminütigen Video forderte Cicippio die USA auf, Druck auf Israel auszuüben, damit alle dort festgehaltenen libanesischen Gefangenen freigelassen würden. Er dankte UN-Generalsekretär Perez de Cuellar und seinem Sondergesandten Giandomenico Picco für ihre Unterstützung und Hilfe, die zu seiner Freilassung geführt hätten.

Die ORG hat nach der Freilassung Cicippios nun keine westliche Geisel mehr in ihrer Hand. Cicippio, der als Buchhalter an der Amerikanischen Universität in Beirut gearbeitet hatte, ist Vater von sieben Kindern und hatte sich 1986 in Beirut niedergelassen. Vor der Hochzeit mit einer Libanesin trat er dort zum Islam über. Seine Entführer hatten mehrmals gedroht, ihn umzubringen.

Derzeit befinden sich noch fünf westliche Geiseln in Libanon, von denen einer, der Italiener Alberto Molinari, vermutlich tot ist. Terry Anderson, der Leiter des AP-Büros in Beirut, ist bereits seit 1985 in den Händen des Islamischen Heiligen Krieges. Alan Steen, Lehrer am Beirut University College, wurde vom „Islamischen Heiligen Krieg zur Befreiung Palästinas“ verschleppt. Die beiden Deutschen, Mitarbeiter der privaten Organisation Asme Humanitas, sollen in der Gewalt der Familie der in der Bundesrepublik einsitzenden Hamadi-Brüder sein.

Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes in Bonn teilte am Montag mit, die beiden Deutschen seien voll in die Bemühungen einbezogen. Picco habe am Wochenende in Beirut Polaroid-Fotos von Strübig und Kemptner erhalten. Noch in dieser Woche werde ein hoher Beauftragter des Iran nach Bonn kommen und dort auch mit Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher (FDP) sprechen. Der Leiter der zuständigen politischen Abteilung im Auswärtigen Amt, Reinhard Schlagintweit, werde in den nächsten Tagen erneut mit Picco zusammentreffen.

UN-Generalsekretär Perez de Cuellar erklärte am Sonntag abend in Damaskus, „auf dem Weg zur Lösung der Geiselfrage“ sei ein „bedeutender Fortschritt“ erzielt worden. Er bestätigte eine grundlegende Übereinkunft mit den Entführern. Diese umfasse die libanesischen Gefangenen in Israel, die aus rechtlich unhaltbaren Gründen festgehalten würden, und die Frage der in Libanon vermißten und getöteten Israeli.